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Der Koloss an der Stadtgrenze. Diese Aufnahme entstand mit Blick gen Norden. Zu sehen ist vorn der südliche Seitenpier mit einer Länge von 350 Metern; der Hauptpier vor dem Terminal (links) ist mehr als doppelt so lang.

© dpa

Flughafen BER: Muss Geschäftsführer Schwarz gehen?

Das Terminal? Wird teurer. Der Brandschutz? Nicht fertig. Die Flughafenchefs hätten das Chaos früh vermeiden können – wenn sie die BER-Unterlagen gelesen hätten. Und auch Geschäftsführer Rainer Schwarz soll nicht umfassend informiert haben. Jetzt wird es offenbar immer enger für ihn.

Wegen des Skandals um den Flughafen BER steht Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz nach Tagesspiegel-Informationen unmittelbar vor der Ablösung. Entsprechende Informationen aus der Bundespolitik bestätigten am Montag unabhängig voneinander Vertreter aus Aufsichtsratskreisen, darunter auch aus der Landesregierung Brandenburgs.

Die Entscheidung über die Demission des 55-Jährigen soll auf der nächsten Aufsichtsratssitzung Anfang November erfolgen. Der Antrag werde von Vertretern der Bundesregierung im Kontrollgremium gestellt. Die FDP macht seit Längerem von Schwarz’ Entlassung die Freigabe von 312 Millionen Euro an Zuschüssen des Bundes für die Flughafengesellschaft abhängig. Anders als bisher werde sich Brandenburg einer Entlassung nicht widersetzen, hieß es in Potsdam.

Im Aufsichtsrat sei die Erkenntnis gereift, von Schwarz lange falsch informiert worden zu sein. Wie sich Berlin verhält, war noch unklar. Ein Senatssprecher sagte, es gebe keine neue Entwicklung.

Steht er kurz vor der Ablösung? Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz.
Steht er kurz vor der Ablösung? Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz.

© dpa

Dabei ist die Liste der Versäumnisse des Flughafenchefs lang und reicht weit zurück: Nach Tagesspiegel-Informationen wusste die BER-Spitze bereits 2008 – noch vor dem Baustart für das Terminal – , dass der geplante Kostenrahmen und der Zeitplan nach der geplatzten Ausschreibung an einen Generalunternehmer nicht zu halten ist.

Zudem gab es eine ganze Reihe anderer Warnungen . Der Aufsichtsrat, geführt von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD), will nicht vollständig informiert worden sein über die Probleme.

Offiziell hieß es Anfang Mai, als der Eröffnungstermin für Anfang Juni abgesagt wurde, dieser sei wegen der Brandschutzanlage nicht zu halten. Tatsächlich ist das nur das Ergebnis einer Reihe von Pannen, in deren Zentrum die BER-Geschäftsführung steht. Technikchef Manfred Körtgen wurde deshalb schnell entlassen und später durch Horst Amann ersetzt.

Wie Insider von mehreren Seiten bestätigen, hatte der damalige technische Geschäftsführer Thomas Weyer im Frühjahr 2008 noch vor seinem Wechsel zum Flughafen München in einem Papier Bedenken der Generalplaner – der PG BBI um das Architekturbüro gmp von Meinhard von Gerkan – zur Kenntnis genommen.

Demnach akzeptierte die Flughafengesellschaft die Warnungen, wonach das Terminal nicht für die geplanten 630 Millionen Euro zu bauen ist, sondern bei rund einer Milliarde Euro landen wird – zu genau jenem Preis, den ein Baukonsortium um Hochtief angeboten hatte, der der Politik beim Vergabeverfahren im Jahr 2007 aber zu hoch war. Tatsächlich liegen die Kosten jetzt bei 1,2 Milliarden Euro.

„Praktisch wurde schon damals die Kostenobergrenze gestrichen“, sagt ein Insider. Zugleich räumte die Flughafengesellschaft bereits zu dieser Zeit noch vor dem Baustart des Terminals einen Teminverzug ein. Weyers Nachfolger Körtgen soll die Existenz des Papiers, das den Anstieg der Kosten und den Zeitverzug festhielt, später stets zurückgewiesen haben. Auch ihm wurde angelastet, den Aufsichtsrat nicht ausreichend informiert zu haben.

Vom Ende des Jahres 2008 datiert ein zweites Warnschreiben, diesmal von der Projektmanagementfirma „Drees & Sommer“. Von erheblichem Kostenüberschreitungen bei den Ausschreibungen, der Gebäudehülle und der Gebäudetechnik, weiteren Risiken für Kosten und der Fertigstellung im Oktober 2011 ist die Rede. Die Flughafengesellschaft kündigte „Drees & Sommer“ Anfang 2009.

Der Grund für die Probleme waren zahlreiche Änderungswünsche der BER-Betreiber. Das belegt eine Untersuchung der Wirtschaftsprüfer „Ernst & Young“. Darin heißt es, der Bauherr habe gravierende Änderungen angeordnet und massive Eingriffe in bestehende Pläne vorgenommen. Die Folge war ein „Stop and go“ auf der Baustelle.

Die Unternehmensberater bezeichnen die Eingriffe der Flughafengesellschaft als „wesentliche Störungen“, darunter die Anordnung von 2007, mehr Platz für Läden und Restaurants zu schaffen. Als Folge warnen Experten heute vor Platzproblemen an Sicherheitsschleusen und Check-in-Schaltern.

Auch der Wechsel der Passagierbrücke für den A 380 vom Hauptgebäude an den Rand war solch ein Einschnitt in die Abläufe. Im Juni 2010 verschob der Aufsichtsrat die Eröffnung von Oktober 2011 auf Juni 2012. Es gab sogar einen Beschluss der Geschäftsführung, dass es keine Änderungen mehr geben solle. Es kam anders. „Ernst & Young“ listet eine Reihe von Änderungen auf, die auf der Baustelle Chaos auslösten.

Seit September 2011 standen die Signale in den Monatsberichten der Planer auf Rot, in den Unterlagen für den Aufsichtsrat nur auf Gelb. Verantwortlich ist Rainer Schwarz.

Auch das Bauordnungsamt im Landkreis Dahme-Spreewald äußerte im März 2012 Bedenken, dass der Flughafen rechtzeitig fertig wird. Je enger es wurde, desto größer der Eifer, der auf der Baustelle nur noch mehr Chaos anrichtete. Schwarz nennt es heute „Endspurtmaßnahmen“, das Ergebnis sind etwa überbelegte Kabelschächte, die gegen alle Vorschriften verstoßen.

Dazu passt das neueste Ergebnis der Soko BER des Bundesverkehrsministeriums, das jetzt den Ausschlag für die Entscheidung gibt, sich von Schwarz trennen zu wollen.

Grundlage sind Schreiben der Unternehmensberatung McKinsey und des Münchener Flughafens zum Probebetrieb im Frühjahr 2012. Demnach soll Schwarz den Aufsichtsrat monatelang falsch und nicht umfassend informiert, ja sogar bewusst in Unkenntnis gelassen haben, dass die Eröffnung im Juni nicht zu halten ist.

Spätestens im März hätte die Notbremse gezogen werden müssen. Schwarz selbst weist die Vorwürfe zurück: „Noch Anfang Mai ist von den Projektbeteiligten an keiner Stelle der Hinweis gekommen, dass die Inbetriebnahme nicht funktioniert.“

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