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Tanken für Fortgeschrittene.

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Flughafen BER: Vor dem Abflug schnell zur Tankstelle

Täglich wird der Flughafen Tegel von etwa 30 Tanklastwagen mit Kerosin versorgt. Da auch die Lieferunternehmen darauf eingestellt waren, dass Tegel bald schließt, wird dort nun das Kerosin knapp. In Schönefeld hingegen gammeln Millionen Liter vor sich hin.

„Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin, kein Sturm hält sie auf, uns’re Air Berlin“, klingt es in einem alten Telefonwarteschleifensong der Airline. Das Lied wird heute nicht mehr gespielt. „Zu unmodern“, befand man vor Jahren. Dabei entwickelt der Themenkomplex Kerosin und Berlin derzeit eine brisante Aktualität: In Tegel könnte der Kraftstoff knapp werden – am Flughafen BER dagegen lagern rund 18 Millionen Liter Kerosin im Wert von 15 Millionen Euro. Die könnten nach vier Wochen von Bakterien befallen, und irgendwann unbrauchbar werden – zitiert die „B.Z.“ einen anonymen „Tankexperten“.

Es ist eines der kurioseren Probleme, die sich aus der Verschiebung des Flughafenumzuges ergeben. Zwar erwartet noch niemand ernsthaft, dass Flugzeuge in Berlin wegen akuten Kerosinmangels am Boden bleiben müssen. Gleichwohl hat der Umstand, dass große Mengen Treibstoff zur falschen Zeit am falschen Ort lagern, konkrete wirtschaftliche Folgen und zwingt alle Beteiligten in Krisensitzungen an den Verhandlungstisch. Der Flughafen Tegel wird über die Straße mit dem Treibstoff versorgt: Rund 30-mal am Tag rollen Tanklastwagen mit jeweils rund 34000 Litern an Bord auf das Flughafengelände. Die kommen meist von der Raffinerie PCK aus Schwedt an der Oder, wo die Konzerne BP, Rosneft, Shell, Eni und Total Kraftstoffe aller Art für die Region produzieren.

Bilderstrecke: So soll der fertige Flughafen aussehen

Die Lieferungen nach Tegel übernehmen mittelständische Spediteure. Die hatten sich darauf eingestellt, dass ihnen das Geschäft mit Tegel wegbricht, sobald der Flughafen am 3. Juni schließt. Denn in Schönefeld am BER werden sie nicht gebraucht, da der Flughafen mit Kesselwagen auf der Schiene beliefert wird.

Susanne Martens-Ulrich von der Hamburger Spedition Johs. Martens sagt, dass allein ihr Unternehmen 40 Fahrer schon vor Monaten auf den Jobverlust ab Juni vorbereiten musste. Einige seien schon weg. Und es sei nicht so, dass man an jeder Ecke qualifizierte Fahrer für gefährliche Güter finden würde. Nun versuche sie, einige zur Rückkehr zu bewegen. Aber für wie lange? „Das größte Problem ist, dass wir keinen neuen Termin haben. Wie soll man da Verträge schließen?“, fragt sie. „Wir sind froh, dass wir die zwölf Laster, die auf der Strecke im Einsatz waren, noch nicht verkauft haben“.

Bitte vollmachen. In Tegel ist die Spritversorgung unklar.
Bitte vollmachen. In Tegel ist die Spritversorgung unklar.

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Dirk Thomaneck, Chef der MF Mineralöl-Logistik in Werneuchen (Barnim), hat sechs bis acht Fahrzeuge im Einsatz und musste ebenfalls betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Auch er versucht, einige nun wieder einzustellen oder Mitarbeiter von anderen Standorten in Deutschland zu holen. In jedem Fall stelle die Belieferung von Tegel über den 3. Juni hinaus „eine große logistische Herausforderung“ dar. „Es werden uns Kosten in erheblicher Höhe entstehen“, sagt Thomaneck. Er rechne mit mehreren zehntausend Euro im Monat für Spesen, Übernachtung, Reisekosten, Antrittsprämien und dergleichen. Das sind Probleme, die man mit Geld lösen kann.

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Doch was ist mit den ominösen Bakterien? Tatsächlich kann das Kerosin, das in den Tanklagern steckt, dort nicht ewig liegen: „Kerosin ist ein Mitteldestillat und kann bei unsachgemäßer Lagerung im Kontakt mit Wasser und Luft theoretisch verderben“, bestätigt Vica Fajnor, Sprecherin der Raffinerie PCK. Dass das am BER passiert, sei allerdings kaum vorstellbar. Auch Air Berlin, Miteigentümer des BER-Tanklagers, verweist auf internationale Qualitätssicherheitsstanddards. Es bestehe keine Gefahr, dass der Sprit innerhalb von Monaten „vergammelt“, teilt eine Sprecherin mit.

Allerdings hilft das teure Kerosin den Airlines wenig in Schönefeld. „Wir können es ja nicht durch die Stadt fahren“, stellt Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn fest. Die Beteiligten stecken in einer Vertragsklemme: Derzeit erfolge die Versorgung der Flughäfen über die Gesellschaft Into-Plane, erklärt ein Sprecher von Total Deutschland. Total hält ein Viertel der Anteile. Zum 3. Juni 2012 stelle diese Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit ein. „Insofern enden die vertraglichen Pflichten. Die Betriebspflicht endet, weil uns die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH zum 3. Juni 2012 die Gestattung und Nutzungsrechte aufgekündigt hat“, sagt er. „Wir prüfen derzeit mit Hochdruck – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht –, inwieweit wir der Flughafengesellschaft bei der Lösung ihres Versorgungsproblems helfen können“, sagt er. Flughafen-Sprecher Ralf Kunkel sagt nur: „Wir führen intensive Gespräche. Fest steht: Wir lassen am BER kein Kerosin vergammeln.“

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