zum Hauptinhalt
Ist da drüben noch Platz? Klaus Wowereit, BER-Aufsichtsratschef. Er erfuhr vorige Woche von der Warnung des Flughafenschefs.

© dpa

Flughafen Berlin-Schönefeld: Am BER fehlt Platz für zehn Millionen Passagiere

Von dem Problem erfuhr Wowereit letzte Woche, kurz vor seiner Rücktrittsankündigung. Ein Kritiker sagt: "Am BER müsste man mit der Peitsche abfertigen " - nur dann sei alles zügig zu schaffen.

Nach den verschobenen Starts und den gewaltigen Kostensteigerungen droht am Flughafen BER die nächste Pleite – nun die Eröffnung: Die vom Tagesspiegel publik gemachten internen Warnungen von Flughafenchef Hartmut Mehdorn, dass im Terminal anfangs lediglich 21 Millionen und nicht wie geplant 27 Millionen Fluggäste abgefertigt werden können, haben die Politik aufgeschreckt - auch wenn Jan Stöß (SPD) das eher gelassen sieht, wie er am Donnerstagabend bei einer Tagesspiegel-Veranstaltung erzählte: „Tegel kann offiziell auch nur neun Millionen Passagiere abfertigen, jetzt verzeichnen wir gerade schon 18 Millionen Reisende dort.“

Der Flughafen BER ist nun allerdings neu und viele Milliarden Euro teuer. Und daher hat die Nachricht Spekulationen ausgelöst, ob die Kapazitätsnot am BER zum Entschluss von Klaus Wowereit (SPD) beigetragen hat, sich aus dem Roten Rathaus und dem Flughafen-Aufsichtsrat zurückzuziehen. (Wowereit: "Es gab so viel Häme, so viel Gülle natürlich hauptsächlich über meine Person, das ist schwer zu ertragen.")

Zumindest die zeitliche Nähe fällt auf. Vorigen Donnerstag hatte Mehdorn den BER-Aufsichtsratschef Wowereit im Projektausschuss gewarnt, dass eine sichere Inbetriebnahme stark gefährdet sei – und erstmals die brisanten Zahlen präsentiert. Mehdorns Angabe zur Kapazität von 21 Millionen Fluggästen steht in krassem Gegensatz zu den 31,4 Millionen Fluggästen, die die Hauptstadtregion 2016 nach einer neuen Luftverkehrsprognose vom Februar erwarten kann.

Vor zwei Jahren war die Zahlen schon einmal zu hören - und wurde überhört

Die Konsequenz aus dieser Lücke – es geht um zehn Millionen Fluggäste – ist, dass Berlin, Brandenburg und der Bund dringend eine Lösung finden müssen. Die wird wieder teuer. Intern hat Mehdorn die Kosten gegenüber dem Aufsichtsrat kurzfristig auf 800 Millionen Euro beziffert – mittelfristig auf weitere 1,4 Milliarden Euro. Dabei flossen in den Flughafens, einst mit zwei Milliarden kalkuliert, bereits 5,4 Milliarden Euro. Und die jüngst vom Aufsichtsrat bewilligten 1,1 Milliarden Euro sind noch nicht von den Parlamenten Berlins und Brandenburgs sowie vom Bundestag beschlossen.

Einen haben die neuen Zahlen überhaupt nicht überrascht. Das ist der Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa, der vor zwei Jahren, in einem Gutachten für die CDU-Landtagsfraktion in Potsdam, exakt zum gleichen Ergebnis gekommen war wie jetzt Mehdorn. Er wurde als Spinner abgetan. Im Terminal könnten, so da Costa damals, 17 Millionen Passagiere mit gutem, 21 Millionen Passagiere mit akzeptablem Service und noch zumutbaren Wartezeiten abgefertigt werden – nicht aber 27 Millionen Fluggäste.

„Die müsste man mit der Peitsche abfertigen“, sagte da Costa am Donnerstag dem Tagesspiegel. „Man hätte Zeit und Geld sparen können, hätte man auf mich gehört“. Der Grund für die Kapazitätslücke sei, dass im Terminal – architektonisch schick – zu wenige Check-in-Schalter geplant worden sind, die Gepäckanlage zu klein ist und auch zu wenige Flugzeuge außen an das Terminal andocken können. Er empfiehlt eine radikale Lösung: Im neuen BER-Terminal sollten allein die Linienflugpassagiere, also die Premiumklasse, abgefertigt werden. Für die Billigflieger sollten andere Lösungen gefunden werden – etwa durch eine Weiternutzung des alten Schönefelder Terminals. Einen dauerhaften Weiterbetrieb des alten Schönefelder Flughafens lehnt der Bund aber strikt ab, wie aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung an den Bundestag hervorgeht, weil dies eine Verlagerung des geplanten und genehmigten Regierungsterminals nach sich ziehen würde. Im Projektausschuss des Flughafenausschusses hatte Mehdorn wegen der Kapazitätsnot letzte Woche aber grünes Licht erhalten – aber nur für die BER-Startphase. Da kann Mehdorn den alten Flughafenterminal einplanen.

Mehdorn will den alten Flughafen Schönefeld offenhalten

Der Flughafen wollte keinen Kommentar zu den Warnungen Mehdorns abgeben. Auch Offizielle Brandenburgs, wo am 14. September Landtagswahl ist, hielten sich bedeckt. „Aus dem Flughafen wird nie etwas“, sagte Alexander Gauland, Spitzenkandidat der AfD. Diese kann nach Umfragen in den Landtag einziehen. Und CDU-Oppositionsführer Michael Schierack sagte: „Jetzt, da klar ist, dass die Steuerzahler weitere zwei Milliarden Euro aufbringen müssen, damit ein funktionierender Flughafen eröffnen kann, schweigt der Ministerpräsident.“ Die Brandenburger hätten vor der Wahl „ein Anrecht, die Wahrheit zu erfahren.“

Zur Startseite