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Das Nachtflugverbot in Schönefeld wird nicht erweitert.

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Update

Flughafen Schönefeld: Gericht erlaubt Flüge in Randzeiten

Am künftigen Hauptstadtflughafen BER dürfen bis Mitternacht und ab 5 Uhr Flugzeuge starten und landen. Flughafengegner wollen sich mit dem Urteil nicht zufrieden geben.

Am künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ in Schönefeld darf auch nachts geflogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag Flüge zwischen 22 Uhr und 24 Uhr sowie 5 Uhr und 6 Uhr zugelassen und Klagen zurückgewiesen, die auf ein Flugverbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr ausgerichtet waren. Allerdings sind nach 23.30 Uhr und vor 5.30 Uhr nur verspätete oder zu früh ankommende Flüge zulässig, außerdem sind Überführungsflüge, auch zur Wartung, gestattet. Von 0 Uhr bis 5 Uhr hatte das Gericht bereits 2006 keinen Flugverkehr zugelassen.

Mit der Genehmigung des Nachtflugverbots habe das Brandenburger Infrastrukturministerium den ihm eingeräumten planerischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Die Behörde habe den Nachtflugbedarf rechtsfehlerfrei bejaht. Die Nachtflugprognose, die es zum Nachweis einer entsprechenden Nachfrage in Auftrag gegeben hat, ist methodengerecht erstellt; die Ergebnisse sind einleuchtend begründet.

Die Genehmigungsbehörde habe auch plausibel dargelegt, dass es für Zu- und Abbringerflüge zu den Drehkreuzflughäfen, für die Umlaufplanungen der Billigfluglinien und der Touristikverkehre sowie für den Interkontinentalverkehr vernünftigerweise geboten sei, Flugverkehr von 5.30 Uhr bis 23.30 Uhr zuzulassen. Auszugehen sei hierbei von der Verkehrsfunktion des Flughafens Berlin-Brandenburg als einzigem Verkehrsflughafen für die Hauptstadt Berlin und die Metropolregion Berlin-Brandenburg.

Anders als bei der Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete habe die Behörde für die Regelung des Flugbetriebs die Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage von parallelen An- und Abflugrouten ermitteln dürfen, führte das Gericht weiter aus. Die Flugsicherung habe zwar darauf hingewiesen, dass die Abflugrouten bei unabhängigen Abflügen von parallelen Bahnen um mindestens 15Grad voneinander abweichen sollen. Der Flugbetrieb werde jedoch nicht für bestimmte Flugrouten geregelt, sondern für einen Flughafen an einem bestimmten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur in seiner Umgebung.

Lesen Sie weiter: Wie die Wirtschaft und die Flughafengegner reagieren.

Die Betriebsregeln sollten grundsätzlich auch bei geänderten Flugrouten Bestand haben. Abflugrouten, die um bis zu 15 Grad nach Norden oder nach Süden abknicken, würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als parallele Abflugstrecken; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt. Die Veränderungen der Lärmbetroffenheiten bleibe in einem Unsicherheitsbereich, der bei der Regelung des Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden müsse.

Durchschnittlich soll es pro Nacht zwischen 22 Uhr und 6 Uhr insgesamt 77 Flüge geben; im Durchschnitt der sechs verkehrsreichsten Monate sollen es 84 sein. In Spitzen kann die Zahl auf 103 steigen. Die meisten Flüge sind dabei sind zwischen 22 Uhr und 23 Uhr geplant. Nur so könne der Flughafen wirtschaftlich betrieben werden, hatte die Flughafengesellschaft argumentiert.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Klaus-Peter Siegloch, bezeichnete das Urteil als „wichtige Entscheidung für die Luftfahrt.“ Hier dürften am späten Abend nicht alle Lichter ausgehen, wenn die Wirtschaftskraft und die Arbeitsplätze dieser Branche auch in Zukunft gesichert werden sollten, erklärte Siegloch. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes daher wegweisend für noch anstehende gerichtliche Entscheidungen zu anderen Luftverkehrsstandorten in Deutschland.

"Die Entscheidung der Leipziger Richter ist eine wichtige Weichenstellung für die Entwicklung des neuen Flughafen BER auf dem Weg zu einem internationalen Drehkreuz", sagte Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV in Berlin. Flüge in den so genannten Randzeiten seien dringend notwendig für die Wirtschaftskraft und die damit verbundenen Arbeitsplätze. "Jede Million zusätzlicher Flugpassagiere schafft bis zu 1000 Arbeitsplätze. Für die Region Berlin-Brandenburg ein unschätzbarer Wert", erklärte Beisel weiter.

Weiter auf Seite 3: Wie die Flughafengegner sich gegen das Urteil wehren wollen.

Die Luftfahrt nehme aber gleichzeitig die Interessen der Bürger und Bürgerinnen nach Lärmschutz ernst, sagte Siegloch. Das zeige sich an dem umfassenden Kompromiss, den der Hauptstadtflughafen bereits im ursprünglichen Genehmigungsverfahren eingegangen sei. Hier sei bereits auf Nachtflüge zwischen Mitternacht und 5 Uhr verzichtet und Flugverkehr zwischen 23.30 Uhr und Mitternacht sowie zwischen 5 und 5.30 Uhr stark eingeschränkt worden. „Die richtige Balance zwischen Wirtschaft und Arbeitsplätzen einerseits und Lärmschutz andererseits ist entscheidend“, sagte Siegloch.

Der Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB), der sich gegen den Standort Schönefeld und für das generelle Nachtflugverbot eingesetzt und die Klagen von Anwohnern finanziell unterstützt hatte, kündigte an, „ernsthaft zu prüfen, wie eine Klage gegen das Urteil der Leipziger Richter vor dem Europäischen Menschengerichtshof begründet werden kann.“ Der BVBB sei nicht bereit, die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes kritiklos und mit Respekt zu akzeptieren, erklärte die Vorsitzende des BVBB, Astrid Bothe. „Weit über 100 000 Betroffenen werden sich über Generationen nicht dazu verurteilen lassen, unter gesundheitsgefährdendem Fluglärm zu leben“, so Bothe weiter.

Für ein Nachtflugverbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr sind in Berlin und Brandenburg bei Volksinitiativen mehr Unterschriften gesammelt worden, als für die Einleitung des Verfahrens erforderlich sind. Allerdings ist noch nicht entschieden, ob die Initiative rechtlich zulässig ist. Um das Nachtflugverbot durchzusetzen, müssten beide Länder ihre gemeinsame Landesplanung ändern.

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