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Bankdrücker in Schönefeld. Vorteil: Warteschlangen gibt es nicht. Nachteil: Man kommt trotzdem nicht voran. Junge Touristen teilen per SMS mit, dass sie später kommen.

© ddp

Flughafen Schönefeld: Liegen statt fliegen

Berlin-Schönefeld: Touristen schlafen nachts in der Wartehalle, BVG-Busfahrer stehen gelangweilt vorm Terminal. Fast 2000 Flugzeuge sind am Boden geblieben. Es herrscht Verwirrung um Aufhebungen des Flugverbots.

Von Sandra Dassler

Nichts ist zu hören außer dem Wind, der durch die Zweige pustet, und ein paar zwitschernden Vögeln. Die Schneiders sitzen unter der Markise auf ihrer Terrasse. Sie frühstücken, lauschen – und können es gar nicht glauben. „Es ist total ungewohnt, sie nicht zu hören“, sagt Vater Oliver. Sie – das sind die Flugzeuge, die normalerweise nebenan auf dem Flughafen Schönefeld im Minutentakt starten und landen oder ihre Warteschleifen drehen. Doch an diesem Wochenende ist alles anders. In ganz Europa und somit auch in Schönefeld.

Szenenwechsel, ein paar Stunden früher. Es ist Sonntag, kurz nach 7 Uhr. Vor den Terminals in Schönefeld glänzen die Dächer der geparkten Autos, in den Linienbussen sitzen die Fahrer, aber kaum Fahrgäste. In der Wartehalle im Terminal B schält sich Carlota Dalmau aus ihrer Wolldecke. Die 23-Jährige setzt sich aufrecht hin auf der harten Bank. Brille auf, ein fragender Blick, Freundin Sarah Contreras schüttelt den Kopf: Nichts Neues. „Wir sind seit 4 Uhr morgens hier“, erzählt die 20-jährige Contreras. Um 7 Uhr hätte ihr Flieger sie nach Hause bringen sollen, nach Barcelona: „Cancelled“. Die Fluggesellschaft hat einen Ersatzflug für Mittwoch angekündigt. Jetzt warten die Spanierinnen darauf, dass die Gesellschaft ihnen ein Hotel für die Extra-Tage in Berlin organisiert – und bezahlt. Denn mehr Geld wollen die beiden nicht ausgeben, „wir können es auch nicht“. Die beiden Frauen sind am Donnerstag angekommen, dem Tag, als der Vulkan ausbrach. In Barcelona waren sie mit drei Stunden Verspätung gestartet; sie wussten erst gar nicht, ob sie überhaupt fliegen dürfen. Aber sie durften, kamen in Berlin an, „und wir dachten, dieses Flugverbot würde nur ein, zwei Tage dauern“. So werden die Studentinnen einige Tage länger in Berlin bleiben. Ihre Freunde sollen in der Uni Bescheid geben. „Zum Glück stehen gerade keine wichtigen Prüfungen an“, sagt Sarah Contreras. Und Carlota Dalmau, die arbeiten muss, hat ihren Chef informiert. Der habe verständnisvoll reagiert. „Das ist eine Naturgewalt, da kann man nichts machen“, sagt sie.

Im Terminal nebenan werfen Helle und Finn Andersen einen letzten Blick auf die Anzeige. Eigentlich sollten die beiden Dänen am Freitag nach Hause. Doch der Flug nach Kopenhagen wurde gestrichen. Die Andersens sind in einem nahen Hotel untergekommen. Ein Ersatzflieger war für Sonntagvormittag angekündigt, doch auch der startete nicht. Betroffen waren fast 2000 Flüge von und nach Berlin. Für die beiden Dänen immerhin geht es trotzdem nach Kopenhagen: „Wir haben in der Zwischenzeit eine Busfahrt organisiert.“

Margit und Peter Konzer werden gar nicht mehr fliegen. Sie sind Berliner, am Sonntag sollte es nach Istanbul gehen. „Dass nichts aus unserem Kurztrip wird, haben wir geahnt.“ Das Ehepaar will nun Urlaub in Deutschland machen.

Ihre Einstellung haben auch andere. Die Leute seien erstaunlich gefasst, erzählt eine Mitarbeiterin am Infoschalter: „An gewöhnlichen Tagen hetzen die Menschen viel eher herum.“ Genauso ruhig geht es an der Touristinformation zu. Statt nach Touren durch Berlin fragen die Leute jetzt, wie sie wegkommen. Während sich viele um Alternativen mit Bus oder Bahn kümmern oder versuchen, einen Mietwagen zu bekommen, stärken sich andere erst mal: Am Flughafen Schönefeld haben die Bäcker geöffnet. In Tegel sind fast alle Läden geschlossen.

Daria Konowalova und ihre Mutter Irina haben die Nacht auf Sonntag auf den Sofas eines Terminals verbracht. Sie sollten Samstagmittag nach Moskau fliegen. Wann sie es nun können, wissen sie nicht. Und auch nicht, wo sie schlafen sollen. „Die Hotels sind voll“, so Daria, „außerdem wird das zu teuer.“

Um 17 Uhr kommt in Schönefeld endlich Bewegung in den Stillstand, zumindest scheint es so: Per Lautsprecher wird bekanntgegeben, dass das Flugverbot bis 20 Uhr für Maschinen in Richtung Osten aufgehoben sei: „Sollte eine Maschine fliegen, werden wir Sie umgehend darüber informieren.“ Dass eine Maschine fliegen würde, ist zunächst aber völlig unwahrscheinlich: Sicherheits-Check in der Abflughalle geschlossen, kein Mensch zu sehen, auf den Anzeigetafeln nach wie vor alles gestrichen. Etwas Andrang gibt es bei Aeroflot, auch dort muss das Personal enttäuschen: „Wir haben keine Maschine, kein Personal“, sagt eine Angestellte. „Das ist alles viel zu kurzfristig. Aeroflot hat alle Flüge bis Montag um 23.59 Uhr gestrichen.“ Die Auskunft am Infoschalter des Flughafens geht in die gleiche Richtung: „Bis 19 Uhr fliegt erst mal nichts.“

Michael Bunke steht am Schalter von German Wings. Der Angestellte aus Teltow möchte wissen, ob seine Maschine am Montagfrüh nach München fliegt. Um 14 Uhr habe er dort einen Termin: „Es geht um Millionen.“ Noch seien die Flüge am Montag nicht gestrichen, heißt es am Schalter. Um 20 Uhr erwarte man neue Entscheidungen. Herr Bunke könne sich im Internet informieren oder die Hotline der Fluggesellschaft anrufen. „Da kommt man seit Tagen nicht durch“, sagt Bunke: „Deshalb bin ich ja zum Flughafen gekommen.“

Auch der Sprecher der Berliner Flughäfen, Leif Erichsen, konnte trotz Verlängerung der Flugerlaubnis für Schönefeld und Tegel nur wenige Flugbewegungen melden. Es gab lediglich einzelne Überführungsflüge von Maschinen ohne Passagiere. Angekündigt waren vorübergehend auch sechs Air-Berlin-Flüge mit Fluggästen aus Mallorca nach Tegel. Als die Flugerlaubnis von der Deutschen Flugsicherung wieder von 6 Uhr auf 0 Uhr begrenzt wurde, war das hinfällig. Auch drei Tui-Fly-Flüge aus Fuerteventura, Las Palmas und Faro nach Schönefeld waren damit wieder ungewiss.

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