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Zeichen zeigen. Das Logo der Fluglärmgegner, hier bei einer Demo am Freitag. Foto: dpa

© dpa

Flughafen Schönefeld: „Wir fühlen uns im Stich gelassen“

Lärm von Schönefeld und Schweigen der Parteien: Ratlosigkeit und Frust dominieren bei Wählern im Berliner Südosten.

Die NPD hat es immerhin versucht: Über ihre üblichen „Guten-Heimflug“-Plakate hat sie im Berliner Südosten kurz vor dem Wahltag noch welche mit der Parole „Fluglärm stoppen!“ gehängt. Abgesehen vom offenkundigen Schwachsinn dieser Kombination haben die Rechtsradikalen damit allerdings eine Brache in der politischen Landschaft aufgetan. Denn während sich lokal sogar der FDP-Kandidat für ein Nachtflugverbot in Schönefeld von 22 bis 6 Uhr ausspricht – die anderen Direktkandidaten tun es ohnehin –, hat auf Landesebene keine der etablierten Parteien versucht, sich mit dem Thema Flugrouten und -lärm zu profilieren.

Entsprechend frustriert fallen die Reaktionen von Passanten zwischen Müggelsee und Dahme aus. „Im Stich gelassen und verschaukelt“ fühlt sich ein Familienvater in Karolinenhof. Die Villensiedlung im Köpenicker Süden wird durch den Flughafen besonders stark verlärmt – unabhängig von den exakten Routen. „Alle, die gesagt haben, sie wollen was für uns tun, haben einen Rückzieher gemacht, wenn es konkret wurde“, sagt der Mann. „Viele hier werden nicht wählen gehen“, vermutet er. Im Gehen fügt er hinzu: „Es ist ja wohl kein Zufall, dass die Anhörung zum Nachtflugverbot vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgerechnet in der Woche nach der Wahl stattfindet.“

Beim Volksentscheid für die Offenhaltung des Flughafens Tempelhof 2008 kamen in Karolinenhof die höchsten Zustimmungswerte zusammen – nicht aus Interesse an dem historischen Airport, sondern, um den an die Schließung von Tempelhof gekoppelten Ausbau von Schönefeld zu sabotieren. Doch bei dieser Wahl gibt es keinen solchen Hebel. Und die von Bürgerinitiativen unterstützten „Freien Wähler“ schafften es nicht einmal zu lokaler Bekanntheit.

Drei Kilometer weiter nördlich, in Grünau, hadert eine Rentnerin am Mittag noch immer mit sich: „Ich werde diesmal nicht CDU wählen – wegen der Bundespolitik, aber auch wegen des Flughafens.“ Doch eine Alternative vermag sie nicht zu nennen: „Alle reden von optimalem Schallschutz und optimalen Routen. Aber derart weiche Versprechungen bringen doch nichts.“ Eigentlich müsste man zu Hause bleiben, resümiert die Frau.

Auch Grünau wird durch den neuen Flughafen mehr Lärm abbekommen – ungeachtet der Startrouten. Das ist der Unterschied zu Friedrichshagen, wo die Menschen erst durch die im Sommer von der Flugsicherung präsentierte Müggelsee-Route aufgeschreckt wurden. Dort erzählt eine junge Mutter, sie habe extra die Piraten angemailt, weil der Ortsteil bei den Etablierten keine Lobby habe. Die Freibeuter haben geantwortet, dass sie für transparente Planung und mehr direkte Demokratie seien. Deshalb würden sie sich nach einem erfolgreichen Volksentscheid für ein striktes Nachtflugverbot engagieren. Aber wirklich lösbar sei das Lärmproblem mit dem gewählten Standort nicht. Das findet die junge Frau zumindest so vernünftig, dass sie die Piraten wählen will – „als Protestpartei“. Nachbarn und Freunde sähen das ähnlich; selbst bei ihren politisch interessierten Eltern erlebe sie diese Mischung aus Ratlosigkeit und Frust. Stefan Jacobs

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