zum Hauptinhalt
Ein Flugzeug startet vom Flughafen Tegel

© dpa

Flughafen Tegel: „Hier donnert’s wie im Krieg“

Der Flughafen Tegel soll noch viel länger offen bleiben? Die Anwohner von Spandau bis Pankow sind entsetzt - hatten sie doch gehofft, bald ihre Ruhe zu haben.

Von Sandra Dassler

Johannes Hauenstein findet harte Worte: „Auch ein Hartmut Mehdorn kann einen Rechtsstaat nicht in eine Bananenrepublik umwandeln“, sagt der ehemalige Sprecher der Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz auf Stadtflughäfen. Und kündigt für den Fall, dass „Mehdorn an seinem Versuch der Rechtsbeugung festhält“ zwei Klagen an: Die erste aus dem Berliner Norden auf sofortige Einstellung des Flugbetriebs in Tegel. Die zweite aus dem Berliner Süden auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Flughafen BER, weil mit einem Weiterbetrieb von Tegel die Planrechtfertigung entfällt.

Nicht nur Johannes Hauenstein ist geschockt, von Spandau über Tegel bis nach Pankow reagieren viele Menschen fast entsetzt auf die Ankündigung von Hartmut Mehdorn, den Flughafen BER nach und nach zu eröffnen. „Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich die Nachricht hörte, dass Tegel nun sogar bis 2017 geöffnet bleiben soll“, sagt Rolf-Roland Bley. Ständig seien neue Nachrichten im Radio zu hören. Mal ist die Rede von der TXL-Schließung 2015, dann wieder von 2017. Die Wahrheit? Kennt keiner, aber sie haben hier ja eh schon viel zu viele Daten gehört, die dann nicht eingehalten worden sind. Der 75-Jährige Rolf-Roland Bley wohnt seit langer Zeit in Staaken, draußen im Spandauer Westen – „unmittelbar unter den Flugzeugen“. Deshalb ist Bley seit mehr als 20 Jahren Mitglied in der Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz und sitzt seit zwölf Jahren in der Fluglärmkommission für Tegel.

Er weiß, was viele Menschen, die in der Einflugschneise des Stadtflughafens wohnen, ertragen mussten. Dabei dachten alle schon 2006, dass bald Ruhe einkehren würde rund um den TXL. Damals wurde der Schließungsbescheid für Tegel rechtskräftig. Selbst die erste Verschiebung des Eröffnungstermins nahmen die Anwohner noch gelassen hin.

Der Schreck kam vor einem Jahr, als die Eröffnung kurzfristig abgesagt wurde und immer mehr Flüge nach Tegel verlagert wurden. „Dadurch hat der Airport jetzt 650 Flugbewegungen pro Tag“, sagt Rolf-Roland Bley: „Anfangs waren es mal 200 bis 250.“ Hinzu kommt, dass der Senat Hunderte Nachtflüge im Jahr genehmigt hat. Erst kürzlich wurde bekannt, dass es von Juni 2012 bis Februar 2013 fast 750 Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr gab. „Hinzu kommen die Postflüge“, sagt Bley: „Jede Nacht um 0.20 Uhr und 1.20 Uhr.“ Eigentlich hatten die Bürgerinitiativen ihre Arbeit schon beendet. Jetzt aber melden sich täglich Betroffene: die alte Dame, die aus Zehlendorf in eine preiswertere Mietwohnung in Tegel gezogen ist, die Professorin, die eine Eigentumswohnung erworben hat, die aus sechs Familien bestehende Bauherrengemeinschaft – sie alle haben sich auf die Schließung von Tegel, auf das Wort der Politiker verlassen.

„Jetzt geht die Taktiererei weiter, die halten uns hin, denen ist egal, wie hoch der Lärm, wie belastet die Luft und das Trinkwasser sind und wie oft Ziegel durch Wirbelschleppen der landenden Flugzeuge von den Dächern fallen“, sagt Monika Matalik. „Kommen Sie mal nach Tegel-Ort, da donnert’s wie im Krieg.“ Irgendwann hat die Psychotherapeutin angefangen, sich massiv über die Belastungen zu ärgern, im Februar hat sie die Bürgerinitiative Fluglärm Tegel gegründet.

130 Menschen haben sich bereits eingetragen. „Die kommen aus Glienicke und Reinickendorf, Spandau und Pankow“, sagt Matalik: „Wir wollen uns jetzt mit den anderen Bürgerinitiativen vernetzen. Und den tausenden Betroffenen eine Stimme geben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false