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Im Moment wird das Flughafen-Areal in Tempelhof vor allem für Mode-Events wie die Bread & Butter auf der Fashion Week genutzt. Das soll nicht so bleiben.

© Britta Pedersen/dpa

Flughafen Tegel und Tempelhof in Berlin: Senatoren streiten: Was wird aus TXL und THF?

Bei der Zukunftsplanung für die Flughäfen fehlt SPD und CDU eine gemeinsame Strategie.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) drückt aufs Tempo. Er will den Wettlauf gegen die CDU gewinnen, der die stadtpolitisch wichtige Frage entscheiden soll, was aus den Flughafen-Arealen in Tegel und Tempelhof wird. In Tegel plant er zunächst ein neues, dicht bebautes Wohnquartier westlich des Kurt-Schumacher-Platzes. Das Beteiligungsverfahren für die nötige Änderung des Flächennutzungsplans ging am 3. Juli zu Ende. Spätestens im Februar 2016, kündigte Geisel jetzt an, soll das Wettbewerbsverfahren für das Quartier starten.

In Tempelhof ringen die Koalitionspartner SPD und CDU um ein Konzept für das alte Hauptgebäude. Die Diskussion im Abgeordnetenhaus über eine schrittweise Sanierung und Nutzung eines der größten Bauwerke in Europa wurde mehrfach vertagt. Zuletzt bat die Stadtentwicklungsbehörde den Hauptausschuss des Parlaments um eine „Fristverlängerung bis Ende August“. Am Freitag trifft sich der Aufsichtsrat der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH. Dort wird auch über die Zukunft des ehemaligen US-Offizierhotels im Gebäudeteil „H2rund“ besprochen. Private Investoren haben ihr Interesse bereits bekundet.

Im Vorfeld der Sitzung beschwerte sich Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) schriftlich beim Kollegen Geisel, weil sich das Vergabeverfahren für das Gebäude um ein halbes Jahr verzögert habe. „Ich bitte Sie deshalb, dafür Sorge zu tragen, dass die Tempelhof Projekt unverzüglich alle erforderlichen Schritte ergreift, um das Verfahren nach Abstimmung mit dem Aufsichtsrat zügig fortzusetzen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.“ Yzer will in Tempelhof Start-ups und junge Unternehmen aus der IT- und Kreativbranche ansiedeln.

SPD will Wohnungen, CDU will Wissenschaft

Auch dieser Mahnbrief weist auf einen Grundkonflikt zwischen Sozial- und Christdemokraten hin. Die SPD setzt bei der Entwicklung des riesigen Flächenpotenzials in Tegel und Tempelhof vorrangig auf öffentliche und aus dem Landeshaushalt finanzierte Vorhaben. An erster Stelle stehen neue Wohnungen. In Tempelhof, wo ein Volksentscheid im Mai 2014 die geplante Randbebauung vereitelte, können sich die Sozialdemokraten in absehbarer Zeit einen zweiten Anlauf für den vorerst gescheiterten Wohnungsbau vorstellen.

Die CDU will Tegel und Tempelhof vorrangig dafür nutzen, wissenschaftsnahe Unternehmen anzusiedeln und an Berlin zu binden. Großes Vorbild ist Adlershof, wo inzwischen das tausendste Hightech-Unternehmen Platz gefunden hat. Erfolgreicher Entwicklungsträger ist dort seit über 20 Jahren die landeseigene Wista, unter deren Dach die Tegel Projekt GmbH arbeitet. Aber auch in Tempelhof setzt die Union, sehr viel mehr als die SPD, auf privates und wirtschaftlich orientiertes Engagement.

Mit diesen unterschiedlichen Strategien werden die Regierungsparteien wohl in den Wahlkampf 2016 gehen. Ein schwelender Konflikt, der die Entwicklung der Areale jetzt schon erschwert. Ein aktueller Streitpunkt ist der Plan für 5000 neue Wohnungen im Kurt-Schumacher-Quartier in Tegel, den Senator Geisel energisch vorantreibt. Die Union will dort höchstens 3000 Wohnungen bauen, und das auch nur dann, wenn die „industrielle Nutzungsperspektive“ für das Flughafengelände „in keiner Weise beeinträchtigt wird“. Diesen Beschluss fasste die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus schon im Mai. Gleichzeitig lehnten die Christdemokraten eine Verschmelzung der Tegel Projekt GmbH mit der Projektgesellschaft in Tempelhof ab.

Nicht ohne Grund. Denn Stadtentwicklungssenator Geisel versucht beharrlich, die Oberhoheit über beide Megaprojekte zu erlangen. Eine entsprechende Senatsvorlage hat er intern vorgelegt. Demnach sollen die Projektgesellschaften für Tegel und Tempelhof formal selbstständig bleiben, um Anträge auf EU-Fördermittel nicht zu erschweren. Doch sollen die landeseigenen Unternehmen eine gemeinsame Geschäftsführung und einen Aufsichtsrat erhalten, in dem Geisel den Vorsitz übernehmen will.

Wirtschaftssenatorin Yzer trägt diese Senatsvorlage dem Vernehmen nach nicht mit. Das koalitionsinterne Kräftemessen wird also die Sommerpause überdauern. Im Herbst wird das Thema aber zwangsläufig aufgerufen, im Rahmen der parlamentarischen Haushaltsberatungen für 2016/17. Denn bei den Plänen für Tegel und Tempelhof handelt es sich um Milliardenprojekte.

Tegel 596 Millionen Euro kosten, Tempelhof 237 Millionen

Die letzte Kostenprognose für Tegel, vom Mai 2013, ging von 596 Millionen Euro Entwicklungskosten in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten aus. Davon müssten 152 Millionen Euro aus dem Berliner Haushalt finanziert werden. Eine neue Kosten- und Finanzierungsübersicht ist laut Stadtentwicklungsverwaltung in Arbeit. Das Abstimmungsverfahren mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) läuft, denn zwei Drittel der Flächen in Tegel gehört dem Bund. Eine neue, voraussichtlich höhere Kostenprognose ist im September zu erwarten.

Sehr viel unübersichtlicher ist die Lage in Tempelhof. Vor einem Jahr schätzte die Stadtentwicklungsbehörde die Kosten für Sanierung, Modernisierung und Instandhaltung des Hauptgebäudes „über einen längeren Zeitraum“ auf 237 Millionen Euro, davon 176 Millionen Euro bis 2025. Einen verbindlichen Plan, welche Gebäudeteile wann, für welche Zwecke und mit welchen Mitteln hergerichtet werden, gibt es bisher nicht. Keine Antwort kann die Verwaltung auf die Frage geben, was eine langfristige Entwicklung des weitgehend brachliegenden Tempelhofer Feldes kosten könnte. Denn dafür gibt es bisher, jenseits der Freizeit-Nutzung, keinen Plan. Die Berliner Bevölkerung wollte es so.

Mehr Informationen zum Thema Hauptstadtflughafen finden Sie unter tagesspiegel.de/berlin/ber

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