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Protest mit Plakat. Am Flughafen Schönefeld wurde demonstriert. Foto: Davids/Huebner

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Berlin: Flugrouten-Protest wird immer wütender 15 000 Menschen demonstrierten in Schönefeld

gegen Lärm und Täuschung – so viele wie nie

Sie waren wütend, aber es blieb friedlich: Mehr als 15 000 Menschen demonstrierten am Sonntag vor dem Flughafen Schönefeld gegen neue Flugrouten und Fluglärm. Sie waren dem Aufruf des Bündnisses „Berlin-Brandenburg gegen neue Flugrouten“ gefolgt, einem Zusammenschluss von 13 Bürgerinitiativen. Das Vertrauen in den Rechtsstaat sei dahin, betonten mehrere Redner. Es war die bislang größte Kundgebung, seit im September 2010 bekannt geworden war, dass die Deutsche Flugsicherung nach Norden und Süden abknickende Flugrouten plant – obwohl im Planfeststellungsbeschluss Geradeaus-Starts vorgesehen worden waren. In ihren Reden forderten mehrere Sprecher der Demonstration eine Rückkehr zu den alten Flugrouten sowie ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr.

Zuvor hatten auf einer zweiten Protestveranstaltung mehr als 1000 Menschen, aufgerufen vom Bürgerverein Berlin-Brandenburg (BVBB), einen totalen Baustopp und den Bau des Flughafens im stadtfernen Sperenberg gefordert – wie es Gutachter in den 90er Jahren empfohlen hatten. Die Demonstranten kamen überwiegend aus den schon jetzt vom Fluglärm massiv betroffenen Gemeinden zwischen Eichwalde, Müggelheim, Blankenfelde-Mahlow und Ludwigsfelde.

Das Bündnis gegen neue Flugrouten wollte sich der Forderung nach einem Baustopp nicht anschließen. Auf der Demonstration wurden Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) als „Lügner“ beschimpft. Die Menschen in der Region „wollen nicht, dass ein Flughafen auf den Fundamenten von Täuschung, Tricksereien und Willkür errichtet wird“, sagte Bündnissprecher Markus Peichl. Er forderte eine Rückkehr zu den alten und rechtssicheren Flugrouten, die verbindlich sein müssten, „auf die die Bürger vertrauen können“. Ebenso müsse es ein Nachtflugverbot und angemessene Entschädigungen geben. Diese Position sei nicht verhandelbar. Erst dann könnte über alternative Lösungen gesprochen werden. „Den Forderungen werden wir in den nächsten Wochen mit allen Mitteln Nachdruck verleihen“, sagte Peichl. „Uns stehen gewichtige Mittel zur Verfügung: Tausende enttäuschte, wütende Bürger und unzählige Klagen.“ Den Aussagen von Politikern, der Behörden und der Flughafenbetreiber sei nicht mehr zu trauen. Zur aktuellen Debatte in der Fluglärmkommission um Alternativ-Vorschläge sagte er: „Wir machen dieses Spiel nicht mehr mit.“

„Zehn Jahre haben sie uns versichert, die Routen vom BBI würden ausschließlich geradeaus führen, unsere Häuser und Wohnungen, unsere Schulen und Kitas garantiert nicht treffen – und dann kam es plötzlich ganz anders.“

Sabine Bergmann-Pohl, Schirmherrin der Flugroutengegner, und andere Redner erklärten, Lärmschutz gehe vor Wirtschaftlichkeit und „Profitinteressen der Fluggesellschaften“. Vom Lärm an den alten Flugrouten seien 57 000 Menschen betroffen, durch die neuen Vorschläge der Flugsicherung mehr als 150 000 Menschen, sagte Martin Henkel aus Zeuthen.Der BBI habe in der Region ein wachsendes Akzeptanzproblem.

Marela Bone-Winkel aus Nikolassee von der Initiative „Keine Flugrouten über Berlin“ sagte, es gehe um Vertrauensschutz für die Lebensplanung Zehntausender. Die Flugrouten würden ein Thema für die Berliner Abgeordnetenhaus-Wahl in diesem Jahr.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit äußerte Verständnis für die Proteste. „Viele Menschen sind enttäuscht worden, weil sie sich darauf verlassen haben, dass das, was über zehn Jahre gültig war, auf einmal infrage gestellt worden ist. Das war für viele ein richtiger Schock.“ Den BBI-Gegnern erteilte er dagegen eine klare Absage. Der BBI sei als großer internationaler Flughafen für die wirtschaftliche Entwicklung der Region unabdingbar, sagte Wowereit.

Die in der vergangenen Woche von Behörden, Politikern und Flughafenbetreibern gemachten Ankündigungen, weitere Flugrouten zu prüfen, bewertete Peichl skeptisch. „Wirklich Neues gibt es nicht“, sagte er am Sonntag: „Wir fallen auf falsche Versprechen nicht mehr herein.“ Erst wenn die alten Flugrouten verbindlich akzeptiert werden, sei das Bündnis bereit, über „intelligente und nachhaltige Lösungen“ zu verhandeln.

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