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Diese sympathischen Isländer brachten mit ihren langhaarigen Kollegen des Astra zum Kochen.

© promo

FM Belfast Konzert in Berlin: Island hat wahnsinnigen Electro-Pop zu bieten

Isländer mit langen Bärten und langen Haaren sind meisterhaft an Sythesizern und Sound Machines. Am gestrigen Mittwoch waren wir auf investigativer Recherche im Astra und haben eins der abgefahrensten Konzerte seit Langem erlebt.

Mittwoch Abend, halb acht, eine isländische Electro-Pop-Gruppe spielt im Astra. Hin! Irgendetwas ist anders an diesem Abend, ein Türsteher durchwühlt meinen Rucksack und zieht ein Buch heraus: „Is das gut?“. Wir kommen ins Gespräch, dann darf ich passieren. Es nieselt, der Hof ist nur sporadisch beleuchtet, eine große Ratte huscht an uns vorbei. Wir haben nichts, womit wir sie füttern könnten. Nicht einmal Wasser. Wir bestellen uns zwei kleine Selters am Tresen und nehmen die anderen Gäste unter die Lupe: Yep, wir sind mit Abstand die Jüngsten. Einige Studenten, Anzugträger und eine Frau, die aussieht wie meine Mutter. Sie war es nicht, habe ich überprüft.

Plötzlich tönt von der Bühne ein hoher, beinahe schriller Ton. Ein bärtiger Mann mit voluminöser Stimme, die an die des Frontsängers von „Depeche Mode“ erinnert, steht auf der Bühne. Er singt zu Beats, die aus den 80er Jahren zu stammen scheinen. Irgendwie klingt es trotzdem sehr modern. Zwei weitere Isländer mit langen Haaren drehen an Knöpfen von elektronischen Soundsystemen und spielen mit Synthesizern. Der Sänger hebt mehrmals mit einer mystischen Geste die Arme, um das Publikum zum Mitmachen zu bewegen. Vier Leute beginnen zu klatschen, einer gegen den Takt. Beim letzten Song reißt sich der Bärtige das Hemd vom Leib und steigt mit weiteren geheimnisvollen Bewegungen nach unten zum Publikum. Die Menge bildet einen Pfad, unsicher, was das soll. Er singt das Lied zu Ende und dreht eine Runde, in der er alle abklatscht, die ihm die Hand hinhalten. Nicht sehr viele. Nach nur 45 Minuten ist Schluss. Wir schauen uns entgeistert an: „Das war's?!“ Wir schlurfen Richtung Garderobe und machen unserer Unmut Luft.

Zwei Stunden später: "Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass es sich um das abgefahrenste Konzert handelte"

Bei einem Bierchen an der Bar stellt sich heraus, dass es sich nur um die Vorband handelte. Peinlich. Wenig später treiben uns poppige Bässe zurück zur Bühne, FM Belfast ist an der Reihe, eine weitere isländische Electro-Pop-Gruppe. Beziehungsweise die Gruppe, für die wir eigentlich gekommen waren. Halb zehn. Das anfangs noch gespenstisch leere Astra ist nun beinahe komplett voll. Die Menschen springen, tanzen, lachen, tanzen, die Meute ist wie ausgewechselt. Wir gesellen uns zu einer Mitvierziger-Rockergruppe, die das gesamte Konzert über regungslos dasteht. Wir lassen uns davon nicht stören und schwingen das Tanzbein.

Die Band hat das Publikum im Griff, baut das Konzert dramaturgisch auf. Es wird immer schneller, immer lauter. Die Musik überschlägt sich, es wummert - wird heute das Astra einkrachen? Wer sich bei im Internet Tracks von FM Belfast anhört, bekommt keinen blassen Schimmer von der Magie ihrer Musik, die sich während des Konzertes entfaltet. Die sechsköpfige Band besteht aus einem Schlagzeuger, einem Typ am Synthesizer-Keyboard, einer Sängerin und drei Sängern, von denen einer Knieschoner trägt und exotische Tanzschritte zum Besten gibt. Er zappelt. Nach dem ersten Song beginnen die Männer sich auszuziehen, bis sie schließlich nur in Boxershorts und Tanktop auf der Bühne stehen. Dramaturgie.

Das Publikum dreht durch. Alle springen durcheinander. Die Isländer schmeißen Krepppapier-Girlanden ins Publikum und wickeln sich selbst damit ein, sie unterhalten sich zwischen den Songs mit ihrem Maskottchen, einem Haufen bunter Stoffe und Lametta, und tanzen mit ihm über die Bühne. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass es sich um das abgefahrenste Konzert handelte, das ich jemals besucht habe. Ich werde mir wohl keine FM Belfast CD anschaffen, aber falls sie mal wieder nach Berlin kommen, bin ich am Start.

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Max Deibert, Simon Grothe

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