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Folge 2: Herztransplantationen: "162 Menschen warten auf ein Herz"

Herzzentrums-Chef Hetzer sagt, es gibt zu wenig Organspenden. Ein Schweineherz sei keine Option.

Das Deutsche Herzzentrum Berlin gehört zu den großen Transplantationszentren in Deutschland. 2006 hat Ihr Haus 56 Spenderherzen transplantiert. Wie viele Herzen sind es bisher in diesem Jahr?

Nur 17. Das ist für die ersten fünf Monate im Vergleich zu den vergangenen Jahren wenig. 1991 hatten wir noch insgesamt 119 Herzen transplantiert. Anfang der 90er Jahre standen bundesweit jährlich zwischen 500 und 600 Spenderherzen zur Verfügung. 2006 waren es 370. Es herrscht derzeit ein großer Mangel an Spenderorganen. Das ist traurig.

Können Sie sich diesen Mangel erklären?

Zum einen gibt es den typischen Spender jener Zeit nicht mehr: den verunglückten jungen Motorradfahrer. Natürlich eine sehr gute Entwicklung, aber dadurch fehlen die Spenderorgane in gutem Zustand, die so wichtig sind für die erfolgreiche Transplantation. Zum anderen werden heutzutage wegen des medizinischen Fortschritts Sterbende viel länger behandelt, bis der Hirntot festgestellt wird. Doch damit steigt das Risiko von Infektionen oder Blutvergiftungen. Dann sind ihre Organe nicht mehr für eine Transplantation zu verwenden. Und schließlich geht ganz allgemein die Bereitschaft zurück, Organe zu spenden.

Was halten Sie von dem Vorschlag des nationalen Ethikrates, das Organspendegesetz zu ändern? Statt der jetzigen Zustimmungsregel – ein Mensch muss zu Lebzeiten einer Organentnahme im Todesfall zustimmen – soll eine Widerspruchsregel gelten. Danach gälte jeder Verstorbene ohne vorherige förmliche Ablehnung einer Entnahme als potenzieller Spender.

Das ist der bisher beste Vorschlag, den ich gehört habe. Denn er besagt zweierlei: Zum einen soll die Bundesregierung alles tun, damit sich möglichst alle Bürger zur Frage der Organspende nach ihrem Tod grundsätzlich erklären, zum Beispiel im Personalausweis. Also explizit festhalten, ob sie es wollen oder eben nicht. Derzeit haben gerade mal zwölf Prozent einen Organspendeausweis. Und nur dann, wenn sich ein Verstorbener nicht dazu geäußert hat, soll man davon ausgehen dürfen, dass die Spendebereitschaft da war. Es sei denn, die Angehörigen widersprechen. Das würde die Zahl der Spender endlich wieder erhöhen.

Wie viele Patienten stehen derzeit auf Ihrer Warteliste für ein neues Herz?

162 Menschen – mit unterschiedlicher Dringlichkeit.

Wie viele von ihnen werden die durchschnittliche Wartezeit von einem Jahr und länger nicht überleben, weil ihr eigenes Herz schon so schwach ist?

Wir müssen von einer Sterblichkeit von 20 bis 30 Prozent ausgehen. Aber zum Glück bleibt als Option auch noch das Kunstherz zur Überbrückung, bis ein Spenderorgan zur Verfügung steht. Wir haben das weltweit größte Kunstherzprogramm. Allerdings haben auch diese trotz allen Fortschritts ihre Risiken. Zum Beispiel, dass sich durch die Technik der Pumpe ein Blutgerinnsel bildet und dieses möglicherweise einen Herzinfarkt oder Hirnschlag verursacht.

In München wird an der Möglichkeit geforscht, Organe von Tieren in Menschen zu verpflanzen. Könnte das die Lösung für das Spenderproblem sein? Das Herz eines Schweins, das in einem Menschen schlägt?

Ein schöner Traum, aber auch in den kommenden Jahren wird es wohl nicht möglich sein, ein Tierorgan in einen Menschen zu verpflanzen, das länger als ein paar Monate funktioniert. Wir haben jetzt Daten von Patienten, die seit zehn oder sogar zwanzig Jahren mit einem humanen Spenderherz überleben. Das wird in absehbarer Zeit mit einer Xenotransplantation von Tier auf Mensch nicht erreichbar sein. Und zur Überbrückung, bis ein humanes Spenderherz verfügbar ist, ist das Kunstherz wesentlich besser geeignet. Denn da sind die Risiken im Vergleich zur Xenotransplantation – etwa durch den dann nötigen massiven Arzneieinsatz, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern – wesentlich geringer.

Die Herzchirurgie gilt vielen – vielleicht neben der Hirnchirurgie – als Königsdisziplin in der Heilkunde. Wie schwierig ist die Verpflanzung eines Herzens?

Diese Gloriole kommt vom Mythos, den unsere Kultur um das Herz gemacht hat. Chirurgisch ist das eine eher geringe Herausforderung. Die Entnahme und Verpflanzung des Pumpmuskels sind vom Ablauf her sehr standardisierte Verfahren. So erfolgt etwa die Entnahme des Organs nach einem festgelegten Modus, ebenso der Wiederanschluss im Empfänger. Der Erfolg der Transplantation hängt viel entscheidender vom Zustand des Spenderherzens und dem Gesundheitszustand des Empfängers ab. Und das genau ist das Problem, da neben dem Mangel an Spenderorganen auch deren Zustand eine Verpflanzung immer schwieriger macht. Und da zeigt sich dann der Einfluss von Routine und Erfahrung einer Klinik auf den langfristigen Erfolg.

Herztransplantationen finden in Deutschland in 24 Kliniken statt. Davon erbringen aber nur fünf mehr als 20 pro Jahr, darunter das Deutsche Herzzentrum Berlin. Halten Sie es für gerechtfertigt, Mindestmengen für Transplantationen einzuführen, um durch Routine und Erfahrung den Erfolg einer Transplantation zu sichern?

Ich habe mich nie gegen kleinere Programme bei der Herztransplantation gestellt. Denn es ist nicht bewiesen, dass in einem Haus, dass jährlich nur fünf Verpflanzungen vornimmt, dann auch die Ergebnisqualität – also etwa die Langzeit-Überlebensrate – schlechter ist. Wegen dieser fehlenden Belege dürfte es schwierig sein, quasi per Anordnung einer Klinik die Herzverpflanzung zu verbieten. Ich sehe da für die kleinen Zentren eher ein ökonomisches Problem. Herzverpflanzungen sind wegen der hohen Anforderungen an Ausstattung und Personal sehr teuer. Und da fragt sich vielleicht der eine oder andere Verwaltungsdirektor, ob sich so ein sehr teures Miniprogramm wirklich lohnt.

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