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Folge 7: Bauchspeicheldrüsenkrebs: Unauffällig und heimtückisch

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine der gefährlichsten Tumorarten, die Krankheit wird oft zu spät entdeckt.

Mit Durchfall fing es an. Bauchschmerzen folgten. Elisabeth Mayer (Name geändert) ließ sich von ihrem Arzt untersuchen. Der fand nichts Auffälliges. Auch eine Ultraschalluntersuchung brachte zunächst nichts. Nach anderthalb Jahren, in denen die Beschwerden immer wiederkehrten, entdeckten die Ärzte schließlich einen kleinen Tumor. Wer mit diesem Befund konfrontiert wird, hat häufig nur noch sechs Monate zu leben: Pankreaskarzinom, Bauchspeicheldrüsenkrebs, ist eine der gefährlichsten Krebsarten überhaupt (s. nebenstehende, vergrößerbare Grafik). „Und ich wusste nicht mal, wozu eine Bauchspeicheldrüse überhaupt da ist“, sagt Mayer. Mit 65 Jahren wurde sie dann operiert, ein Teil des Organs wurde dabei entfernt.

Knapp 13 000 Menschen erkranken bundesweit jedes Jahr an Tumoren in der Bauchspeicheldrüse, Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. In Berlin werden jährlich mehr als 500 Neuerkrankungen bekannt. Die Betroffenen sind meist um die 70 Jahre alt.

Krebsgeschwüre in diesem Organ sind heimtückisch, nicht nur weil sie im fortgeschrittenen Stadium sehr schnell wachsen können. Schlimmer ist, dass der Tumor lange Zeit keine Symptome verursacht. Viele Patienten sagen, dass sie zunächst gar nichts bemerkt hätten. Deshalb wird der Krebs meistens erst spät entdeckt. Oft zu spät.

Ein zur Früherkennung geeignetes Diagnoseverfahren – wie etwa Abtasten oder Mammografie-Screenings beim Brustkrebs – gibt es nicht. Rauchen, Alkohol und chronische Entzündungen der Bauchspeicheldrüse erhöhen zwar das Risiko für einen Tumor, es gibt jedoch keine eindeutige Beziehung zwischen Ursache und Krankheit, betonen Forscher.

„In 90 Prozent der Fälle besteht auch mit einer Operation keine Chance auf eine Heilung mehr, der Tumor ist dann schon zu groß“, sagt Hans-Joachim Schulz, Chefarzt der gastroenterologischen Abteilung – der Magen-Darm-Heilkunde – im Sana-Klinikum Lichtenberg.

Bei Elisabeth Mayer wurde der Krebs rechtzeitig erkannt – im Gegensatz zu vielen anderen Patienten, denn selbst bei einem Verdacht lässt sich Bauchspeicheldrüsenkrebs oft nicht sofort erkennen. „Die Geschwulst kann kugelförmig oder dünn und langgezogen sein“, sagt Peter Reitzig, Krebsexperte am Sana-Klinikum, der Mayer nun regelmäßig zu Nachuntersuchungen bestellt.

Tumore in der Bauchspeicheldrüse lassen sich mit Hilfe einer Computertomografie oder mit einer Magen-Darm-Spiegelung ausfindig machen. Bei den Untersuchungen spielt allerdings die Erfahrung des Arztes eine wesentliche Rolle. „Man muss als Arzt ein gutes Auge haben“, sagt Schulz.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bauchspeicheldrüse mitten im Bauch liegt, wenige Millimeter von anderen lebenswichtigen Organen entfernt. Die 16 Zentimeter lange und vier Zentimeter breite Drüse ist von großen Blut- und Lymphgefäßen umschlungen. Oft wächst der Tumor in diese Organe hinein. Eine Operation galt wegen der Lage des Organs lange Zeit als gefährlich. Chirurgen müssen sich zur Bauchspeicheldrüse regelrecht hindurchwühlen.

Bis 1970 starb innerhalb von 30 Tagen nach der Operation jeder dritte Patient, zwischen 1980 und 1990 waren es Studien zufolge noch 13 Prozent. Besseres Training und neuere Techniken führten dazu, dass Patienten heute direkt an einer Bauchspeicheldrüsenoperation in der Regel nicht mehr sterben.

Dass die Chirurgen heute sehr viel erfolgreicher sind, liegt nach Auskunft des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands auch an der Mindestmengenregelung. Diese sieht vor, dass in dem Krankenhaus jährlich eine Mindestzahl einer bestimmten Operation ausgeführt werden muss, damit diese Eingriffe dort weiterhin durchgeführt werden dürfen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass der Erfolg einer Behandlung auch davon abhängt, wie häufig eine Klinik diesen Eingriff vornimmt. Wie bei den meisten anderen Berufen macht Übung auch bei Chirurgen den Meister. Nach dieser Mindestmengenregelung muss ein Krankenhaus jährlich mindestens zehn Pankreaskarzinome operieren.

Im Sana-Klinikum Lichtenberg wird Bauchspeicheldrüsenkrebs rund 200 Mal im Jahr diagnostiziert – und im Jahr 2006 knapp 90 Mal operiert. Wird der Tumor vollständig entfernt, kann sich die durchschnittliche Überlebenszeit des Betroffenen von sechs auf bis zu 15 Monate erhöhen. Eine Heilung ist aber selten: Selbst wenn der Tumor entfernt wird, kann er immer wieder neu ausbrechen – auch in den benachbarten Organen.

Wenn der Patient nicht mehr operiert werden kann, bleiben nur noch zwei Alternativen: Strahlen- oder Chemotherapie. Sie können die Lebensqualität des Patienten in der ihm verbleibenden Zeit zwar erhöhen – heilen können aber auch diese Behandlungen meist nicht. „Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört zu den Tumorarten, die schlecht auf eine Chemotherapie ansprechen“, sagt Experte Peter Reitzig. Nur in 45 Prozent der Fälle bringt diese Therapie überhaupt etwas.

In klinischen Studien wird derzeit die Wirksamkeit einer biologischen Therapie untersucht. Da sich Krebsgewebe von gesundem Bauchspeicheldrüsengewebe unterscheidet, soll das Immunsystem angeregt werden, das Tumorgewebe zu bekämpfen. Einsatzbereit ist diese Behandlungsform jedoch noch nicht.

Elisabeth Mayer konnte durch die Operation gerettet werden. Um zu vermeiden, dass sich eventuell neu bildende Tumoren nicht rechtzeitig erkannt werden, wird Mayer von nun an regelmäßig untersucht. „Meine Ernährung musste ich auch umstellen“, sagt sie. Die Bauchspeicheldrüse produziert täglich 1,5 Liter Verdauungssaft, der in den angrenzenden Zwölffingerdarm abgegeben wird. Außerdem reguliert sie durch Insulinabgaben den Blutzuckerspiegel.

Nachdem Mayers Drüse durch die Operation dezimiert worden ist, hat sie nun mit der Zuckerkrankheit zu kämpfen, hervorgerufen durch den Mangel an Insulin. Aber sie lebt.

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