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Die Fraktionschefs Andreas Baum, Christopher Lauer und Fraktionsgeschäftsführer Heiko Herberg bei der Pressekonferenz am Freitag.

© dpa

Fraktionschef Lauer geht an die Öffentlichkeit: Schweres Zerwürfnis in der Berliner Piratenfraktion

Es geht um Vetternwirtschafts-Gerüchte, die eigentlich eher harmlos sind - die aber Fraktionschef Christopher Lauer mit einem Auftritt auf großer Bühne zur veritablen Politaffäre beförderte. Er zeichnet ein desaströses Bild der Stimmung in der Piratenfraktion Berlin.

Es war der ganz große Verteidigungsschlag, zu dem Christopher Lauer, Fraktionschef der Piraten im Abgeordnetenhaus, auf offener Bühne ausholte – und mit dem er ein eher harmloses Gerücht zur veritablen Politaffäre beförderte. Ein desaströses Bild der Stimmung in seiner Fraktion zeichnete Lauer und sagte: „Ich frag’ mich gerade, für wen ich den Scheiß hier mache.“ Sehr kurzfristig hatte der Fraktionsvorstand zur Pressekonferenz am Freitagabend, kurz vor dem Pfingstwochenende, geladen. Gewichtig also musste der Anlass sein, das schien klar, und verwirrt fragten selbst Fraktionsmitglieder per Twitter nach, worum es denn gehen solle. Die versammelte Presse erfuhr dann noch vor den meisten Abgeordneten: Es ging um Gerüchte zum Thema Vetternwirtschaft. Obwohl die bisher der Öffentlichkeit kaum bekannt waren, ging Lauer in die Offensive – und machte intern schwelende Konflikte mit Wucht publik. Der Sachverhalt: Im März 2012 stellte die Piraten-Abgeordnete Susanne Graf eine persönliche Mitarbeiterin ein. Deren Mutter, Chris Linke, wurde im Juli Pressesprecherin der Fraktion, als Elternzeitvertretung und daher befristet beschäftigt bis Dezember 2013. Auf der Weihnachtsfeier der Fraktion kamen sich dann Lauer und Linkes Tochter näher, heute sind sie Lebenspartner. Zu diesem Zeitpunkt also bestanden beide Arbeitsverhältnisse bereits, zudem ist Arbeitgeberin der jungen Frau nicht die Fraktion, sondern Graf persönlich. Über die neuen privaten Umstände habe er den Fraktionsvorstand umgehend informiert, sagte Lauer. Im März schließlich entschied der Fraktionsvorstand, Chris Linke zur Leiterin der Pressestelle zu ernennen, zu einem Zeitpunkt also, als ihre Tochter bereits mit Lauer liiert war. Damit waren Lauer zufolge aber keine Änderungen im Arbeitsvertrag verbunden, also auch keine Gehaltserhöhung. Grund für die Entscheidung sei Linkes 30-jährige Berufserfahrung gewesen, unter anderem als Krisenberichterstatterin in Afghanistan. Co-Fraktionschef Andreas Baum sagte, den Vorwurf der Vetternwirtschaft könne er angesichts des zeitlichen Ablaufs „überhaupt nicht nachvollziehen“. Keines der Beschäftigungsverhältnisse sei rechtlich zu beanstanden. Durchaus relevant ist dagegen, wie Lauer die Lage in der Fraktion schilderte. Die Vetternwirtschafts-Gerüchte seien gezielt gestreut worden, um sie zu skandalisieren. Es gehe darum, ihn zu beschädigen – unter anderem, weil er sich im Juni als Vorsitzender wiederwählen lassen wolle. Nur ein Fraktionskollege komme als Denunziant in Frage, nur vier oder fünf Personen hätten alles Relevante gewusst. „Ich persönlich bin einfach ein bisschen platt“, sagte Lauer. Die politische Arbeit der Fraktion werde massiv beschädigt. Er sei optimistisch, dass sich die betreffende Person zu erkennen geben werde oder ermittelt werden könne. Sanktionen bis hin zum Fraktionsausschluss brachten Lauer und der Parlamentarische Geschäftsführer Heiko Herberg ins Spiel. Und wie kann die Fraktion zu einer akzeptablen Arbeitsatmosphäre zurückfinden, falls der Urheber der Gerüchte – trotz bereits kursierender Vermutungen – im Dunkeln bleibt? „Keine Ahnung“, antwortete Co-Fraktionschef Baum.

Der Vorstand will, dass sich die Fraktion am Dienstag auf der nächsten regulären Sitzung zum Thema ausspricht – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zwar waren die Piraten einst mit dem Vorsatz angetreten, politische Vorgänge transparent zu machen. Doch Lauer beschied auf Nachfrage lapidar: „Keiner hat einen Anspruch darauf, mitzubekommen, wie wir uns wie die Kesselflicker streiten.“
Konflikte sind auch um das Vorgehen des Vorstands zu erwarten. „Wie doof kann man sein?“, kommentierte ein Abgeordneter gegenüber dem Tagesspiegel Lauers Offensive. Auch sei er verärgert, dass die Fraktion nicht in die Entscheidung, Linke zur Leiterin der Pressestelle zu ernennen, eingebunden gewesen sei. Und überhaupt: Er traue sich schon gar nicht mehr, etwas zu sagen, weil man immer nur vom Fraktionsvorstand „auf den Deckel“ bekomme. Vom Treffen am Dienstag verspricht er sich nichts: „Wir hatten schon so viele Aussprachen. Die hier wird auch nichts bringen.“

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