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Pflanzschule des märkischen Adels. Offiziere mit großen Namen: Graf Bernhard von Schmettow (l.) und Hans Wolfgang Herwarth von Bittenfeld – der Jahrzehnte später mit Hilfe des mittelalterlichen "Sehers" Nostradamus in Deutschlands Zukunft schauen soll. Die Bilder der beiden Männer erschien 1901 in der August-Ausgabe der Zeitschrift "Berliner Leben".

© Berliner Leben

Fraktur! Berlin-Bilder aus der Kaiserzeit: Der Fluch des Nostradamus

Junge Adelsmänner mit den Namen siegreicher Ahnen, dafür schwärmt das Kaiserreich. Wir folgen dem Lebensweg von Oberleutnant Hans Wolfgang Herwarth von Bittenfeld - ins Propagandaministerium von Joseph Goebbels.

Wir durchblättern das "Berliner Leben – die vornehmste, gefälligste und interessanteste aller illustrierten deutschen Monatsschriften", August-Ausgabe 1901. Was interessiert? "Aus der Gesellschaft". Die Fotos von zwei Offizieren in stolzgestärkter Uniform fesseln unseren Blick, beide tragen den gezwirbelten Kaiserschnäuzer. Zwei „jugendfrohe Sprossen“ aus „der Pflanzschule des märkischen Adels“, wie der Autor mit dem Kürzel L. v. N. schwärmt – wohl gleichfalls ein „Von“.
Adel berichtet: "Schmettow – Herwarth von Bittenfeld, das sind zwei Namen, die das Herz des preußischen Soldaten höher schlagen lassen. Sie wecken ihm die Erinnerung an den Grafen Samuel von Schmettow, den Feldmarschall Friedrichs des Großen, den mit der Feder wie mit dem Schwerte vertrauten Feldherrn und Diplomaten, und an den Sieger von Hühnerwasser und Münchengrätz, den Feldmarschall Herwarth."

Unvergessen!

Lassen wir den Grafen Bernhard Gottfried Alexander von Schmettow (geboren 23.5.1875 in Dammitsch, gestorben 16.3.1956 in Bad Saarow) mal links stehen - Pardon, der Platz reicht sonst nicht! – und widmen uns an dieser Stelle ganz dem Herren zu seiner Rechten. Hans Wolfgang Herwarth von Bittenfeld, Oberleutnant im 2. Garde-Regiment zu Fuß, "aus dem auch sein berühmter Großoheim hervorging", gemeint ist sein Großonkel Karl Eberhard Herwarth von Bittenfeld, siegreicher General der Elbarmee im Deutschen Bruderkrieg 1866, Generalgouverneur im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, dann als Generalfeldmarschall ins Preußische Herrenhaus befördert. Hurra!

Welchen Lebensweg mag die Vorsehung seinem Großneffen vorzeichnen?

Artikel über das Deutschtum und Kontakte zu Terrorgruppen

Hans Herwarth von Bittenfeld, in erster Ehe verheiratet mit Katharina Wagenführ, Mitbesitzerin der Tangerhütter Eisenwerke, hat es mit Familie: Drei Kinder bekommt das Paar, Herwarth heiratet noch zwei Mal im Lauf seines Lebens, 1904 gehört Herwarth zu den Mitbegründern der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte. Kriegsakademie, Regimentskommandeur, Dienst beim Großen Generalstab. Im August 1910 wird er als Militärattaché an die deutsche Botschaft in Washington D.C. berufen. Im Frühjahr 1914 übernimmt der spätere Reichskanzler Franz von Papen seinen Posten. Herwarth kehrt nach Berlin zurück, dient in der Presseabteilung des Kriegsministeriums und im Auswärtigen Amt. Den Ersten Weltkrieg beendet er als Oberst, Eisernes Kreuz beider Klassen.

In der Weimarer Republik schreibt er Artikel über die „Leistungen des Deutschtums“, Kontakte zu den rechtsextremen Terrorgruppen um Hermann Ehrhardt und Waldemar Pabst werden ihm nachgesagt.

Wenige Wochen nach Hitlers Machtantritt, am 1. April 1933, tritt Herwarth von Bittenfeld in die NSDAP ein. In lyrischen Tönen schwadroniere er über die völkische Rassenideologie, schreibt der US-Diplomat James Grover McDonald. Diese Poesie gefällt Propagandaminister Joseph Goebbels. Herwarth wird 1939 beauftragt, die Prophezeiungen des Astrologen Nostradamus für die Propaganda nutzbar zu machen.

Unter dem Titel „Was bringt das Jahr 1940?“ entsteht eine Broschüre, die anhand der mittelalterlichen Weissagungen einen für die Deutschen günstigen Kriegsverlauf vorhersagt. Das Heft wird in mehrere Sprachen übersetzt und über verschiedene Kanäle in Europa verbreitet. Begeistert vermerkt Goebbels am 12. Juli 1940 in seinem Tagebuch: „Unsere Nostradamus-Broschüre hat im ganzen Ausland größtes Aufsehen erregt. Und kaum einer weiß, dass sie von uns stammt.“

Doch die Spökenkiekerei führt zu keinem guten Ende. Herwarth von Bittenfeld wird schwer krank und stirbt am 25. Dezember 1942. Nicht lange danach verbleicht auch das Deutsche Reich.

Alle Beiträge unserer Serie mit Berlin-Bildern aus der Kaiserzeit lesen Sie unter: www.tagesspiegel.de/fraktur

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