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Berlin: Frantisek Cerny: Der unbequeme Diplomat

Was machen wir nun, da am Rande der Berliner Ereignisse nicht mehr sein etwas zerknittertes Gesicht auftaucht? Wenn er uns nicht mehr damit überrascht, dass dessen grüblerischer Zug sogleich in einen Ausdruck freundlicher Zugeneigtheit umschlägt, sobald man mit ihm ins Gespräch kommt?

Was machen wir nun, da am Rande der Berliner Ereignisse nicht mehr sein etwas zerknittertes Gesicht auftaucht? Wenn er uns nicht mehr damit überrascht, dass dessen grüblerischer Zug sogleich in einen Ausdruck freundlicher Zugeneigtheit umschlägt, sobald man mit ihm ins Gespräch kommt? Die Präsenz Frantisek Cernys, der sich heute als tschechischer Botschafter verabschiedet, auf dem Berliner Parkett war wahrhaft bewundernswert. Er war Teil des politischen und gesellschaftlichen Lebens - man möchte sagen: seit zehn Jahren, obwohl er erst seit 1999 hier residierte. Aber nach Berlin gekommen war er als Leiter der Außenstelle in den aufregenden Anfangsjahren, in denen die Stadt schon Hauptstadt war, aber noch kaum daran zu denken wagte, dass hier wirklich einmal regiert werden würde.

Kein Karriere-Diplomat verabschiedet sich da, aber ein berufener Botschafter. Denn dieser Intellektuelle, den erst das Jahr 1989 in dieses Metier katapultierte, trägt das Erbteil der mitteleuropäischen Gemengelage von Deutschen und Tschechen mit sich - der Großvater k.u.k. Landeshauptmann, er selbst Betroffener der Schicksalsschläge, die diese Zone im vergangenen Jahrhundert erschütterten. In der Nischenexistenz, zu der ihn das real-sozialistische System zwang, hat er sie verarbeitet. Das machte ihn zum idealen Guide durch die deutsch-tschechischen Minenfelder, zu einem Botschafter Tschechiens in Deutschland und umgekehrt - ohnedies versteht er die notwendige Ost-Erweiterung Westeuropas lieber als Westverlängerung in seine Heimat hinein. Nur jemand wie er konnte beispielsweise den Gedanken äußern, dass die Sudetendeutschen ihr Pfingsttreffen doch eigentlich besser in Böhmen abhalten sollten. Er suchte die Botschaft zum Forum für die Begegnung von Vertriebenen und Tschechen zu machen. Das erste deutsch-tschechische Gymnasium in Pirna gäbe es ohne ihn nicht.

Besser als die Frage, was wir ohne ihn machen, wäre deshalb vielleicht die, was wir mit ihm machen, nun, da ihn das diplomatische Reglement in den Ruhestand zwingt. Der Bundeskanzler hat Brigitte Sauzay als Beraterin in deutsch-französischen Fragen. Wie wäre es, wenn er sich den Rat von Frantisek Cerny für die deutsch-tschechischen Beziehungen sichert? Sie könnten ihn brauchen. Hermann Rudolph

Bei der ersten Begegnung brach das Eis. Bei den nächsten war das reflexartige Misstrauen wie weggezaubert - durch Sympathie. Als ich im Nach-Wende-Jahr Eins zum ersten Mal das bunkerartige Gebäude der damaligen tschechoslowakischen Botschaft in der Wilhelmstraße betrat, war mein bestimmendes Gefühl eine Beklemmung. Zu tief saß die Abneigung gegen alles, was aus dem einst kommunistischen Prag kam. Doch dann: Frantisek Cerny. Mein erster Eindruck von dem Leiter der frisch eingerichteten "Außenstelle der Botschaft der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik in der Bundesrepublik Deutschland" weckte bei mir Erinnerungen - an das Geborgenheitsgefühl meiner Kindheit in Prag.

In jenen Jahren, den Fünfzigern, lief zwar die neue KP-Diktatur im Lande auf Hochtouren, doch ich kannte sie nur vom Hörensagen - indirekt, aus den Klagen meiner Eltern. Mit den Helfershelfern des Regimes, für Kinder aus "reaktionären Häusern" wie mich, pflegte man privat keinen Umgang. Die Erwachsenen in unserer bürgerlichen Nischenwelt um mich herum waren nach der Zuordnung meiner Mutter alle "noch anständigen Leute". Diese Menschen erkannte ich später schnell auch an ihrer Sprache: klar, ohne Phrasen und die im kommunistischen Alltag verbreiteten, platten Vulgarismen. Und dieses Idiom hörte ich nun wieder - zum ersten Mal von einem offiziellen Repräsentanten meines Geburtslandes, von Frantisek Cerny.

Nach der Euphorie der Wende brachen lange schlummernde Konflikte auf, die Cernys Berliner Mission nicht leicht machten: die Leichen im deutsch-tschechischen Keller, Schuldfragen, die aus der Nazizeit und der Vertreibung der Sudetendeutschen herrühren. Cerny gehörte zu den wenigen tschechischen Diplomaten, die diesen Fragen nicht ausweichen und trotz populistischer Anfeindungen Prager Politiker stets nach fairen Antworten suchen. Damit hat er für die Entkrampfung der tschechisch-deutschen Beziehungen viel geleistet. In den vergangenen zehn Jahren zwischen seinen Anfängen als Außenstellenchef und seinem jetzigen Abschied als tschechischer Botschafter liegt nicht nur ein Intermezzo eines unruhigen Ruheständlers in Prag, sondern sein beständiger Beitrag zu einem immer breiteren tschechisch-(sudeten)deutschen Dialog, der auch die Opfer mit auf den Weg zur Versöhnung nimmt. Alexander Loesch

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