zum Hauptinhalt
Ministerpräsident Dietmar Woidke (3. v. l.) ehrte die Kolpingjugend Berlin mit dem Toleranzpreis - die erhielt 3000 Euro.

© Enrico Kugler

Franz-Bobzien-Preis: Der Toleranzpreis und die "besorgten Bürger"

Berlins Kolpingjugend erhielt in Oranienburg den Toleranzpreis für ihr Engagement im KZ Ravensbrück. In der Nähe demonstrierten "besorgte Bürger".

Von Matthias Schlegel

Es war am Freitagabend in Oranienburg ein zeitgleiches und ein symbolträchtiges Zusammentreffen von zwei Veranstaltungen, die gegensätzlicher hätten kaum sein können: In der Orangerie im Schlosspark überreichte der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), den Franz-Bobzien-Preis für mehr Demokratie und Toleranz an die Berliner Kolpingjugend.

Draußen, ganz in der Nähe, versammelte sich ein Häufchen "besorgte Bürger", das gegen die Aufnahme von Flüchtlingen protestierte und Überfremdung in Deutschland heraufdämmern sah. Drinnen in der Orangerie sagte Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD), es sei angesichts des angekündigten Aufmarsches der Fremdenfeinde die Frage aufgetaucht, warum denn keine Gegendemonstration organisiert werde. Die Frage sei falsch gestellt, sagte Laesicke. "Wir hier im Saal sind die Demonstration – wir sind schon da, und wir verteidigen unsere Werte von Demokratie und Toleranz mit ganzer Kraft. Die da draußen sind die Gegendemonstranten."

"Toleranz ist wichtiger denn je"

So stand in diesem Jahr die Verleihung des von der Stadt Oranienburg und der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen ausgelobte Preises in einem besonders aufgeladenen aktuellen Kontext.   

"Toleranz und Demokratie zu stärken, ist wichtiger denn je", sagte denn auch der brandenburgische Regierungschef, der zugleich Schirmherr des Franz-Bobzien-Preises ist, in seiner Laudatio auf die Preisträger. Die Kolpingjugend im Diözesanverband Berlin veranstaltet seit zwanzig Jahren zwei bis drei  Mal im Jahr Workcamps in der Gedenkstätte des ehemaligen Frauen-KZ in Ravensbrück. Mit ihrem Engagement – sei es bei der Erschließung des weitläufigen Geländes, bei Arbeiten im Archiv oder bei Gesprächen mit Zeitzeugen – entreißen sie das Geschehene dem Vergessen. So ist auch das Motto ihrer Workcamps: "Gegen das Vegessen - generationsübergreifend, ehrenamtlich, beständig" (mehr Informationen auf der Seite des Kolpingwerks).

In seiner Dankesrede betonte der Jugendsekretär der Kolpingjugend Berlin, Adalbert Jurasch, insbesondere den Wert der Begegnungen mit Überlebenden: "Gespräche mit denen, die sich erinnern, was Menschen anderen Menschen angetan haben, sind immer Höhepunkte unserer Treffen." Gerade weil man nicht mehr lang auf die authentischen Berichte jener Zeitzeugen zurückgreifen könne, sei es so wichtig, dass dieses Projekt generationenübergreifend angelegt sei: Damit auch die Jugendlichen diese Erfahrungen weitertragen. 

Den zweiten Platz erhielt das Projekt "Der verlorene Zug".
Den zweiten Platz erhielt das Projekt "Der verlorene Zug".

© Enrico Kugler

Den zweiten Platz in dem Wettbewerb, zu dem insgesamt 32 Arbeiten aus Brandenburg und Berlin eingereicht worden waren, vergab die Jury an die evangelische Grundschule Tröbitz. Dort arbeiten Schüler der 6. Klassen seit 2012 an einer interaktiven Ausstellung im Dachgeschoss ihrer Schule. Sie erinnern dort an die Opfer eines Eisenbahnzuges, der zum Kriegsende 1945 in ihrem kleinen Ort gestrandet war. Der Zug war nach einer Irrfahrt, die im KZ Bergen-Belsen begann und eigentlich im KZ Theresienstadt enden sollte, am 23. April in Tröbitz zum Stehen gekommen. Der Ort wurde unversehens mit dem Schicksal der 2500 kranken und ausgehungerten Menschen konfrontiert.

Der dritte Platz ging an das Theaterprojekt "Der Widerstand der kleinen Leute".
Der dritte Platz ging an das Theaterprojekt "Der Widerstand der kleinen Leute".

© Enrico Kugler

Den dritte Platz erkannte die Jury dem Theaterprojekt "Der Widerstand der kleinen Leute – Der Lebensweg des Max Timmel" zu. Es wurde von dem gemeinnützigen Verein eventtheater mit Jugendlichen der Otto-Tschirch-Oberschule in Brandenburg/Havel erarbeitet. Das Stück thematisiert die authentische Geschichte eines Angestellten im Bergbauamt Zeitz, der im Jahre 1943 von einer verschmähten Verehrerin denunziert, vom sogenannten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet wird. Das „Vergehen“ von Timmel: Er hat seinen Kollegen aus Briefen seines Sohnes von der Front vorgelesen, in denen dieser die Sinnlosigkeit des Krieges beklagt. 

Menschlichkeit an einem Ort der Unmenschlichkeit

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Günter Morsch, Leiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, an Franz Bobzien erinnert, nach dem der Preis benannt ist. Bobzien war ein aus Hamburg stammender Sozialdemokrat und Lehrer, der im KZ Sachsenhausen inhaftiert war. Er half in dem Lager polnischen Jugendlichen zu überleben, indem er ihnen die deutsche Sprache beibrachte. Denn wer im Lager die Befehle nicht verstand, riskierte sein Leben. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke bezeichnete Bobzien als einen Mann, "der Menschlichkeit an einem Ort der Unmenschlichkeit entfaltete". An der Preisverleihung nahm auch ein Großneffe von Franz Bobzien mit seiner Familie teil.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false