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Freizeitpark kommt an: Berliner fliegen aufs Tempelhofer Feld

Im neuen Tempelhofer Park wird wieder gestartet und gelandet – Modellflieger, Fußballer und Breakdancer leben auf und neben der Rollbahn in friedlicher Koexistenz.

So viel Platz für so wenig Auto. Ronny und Heiko, Bauarbeiter aus Neukölln, lassen ihre Miniatur-Rennwagen kreuz und quer über die irrsinnig breite Startbahn kurven, deren Ende im Ungefähren verschwimmt. Einfach geradeaus in die Ferne zu lenken, trauen sie sich nicht. „Wer soll denn da hinterherlaufen, wenn der Motor ausgeht?“ Ihr Kumpel Henning, Kraftfahrer auf Arbeitssuche, steht am Rand der Rollbahn, raucht eine Marlboro und schaut zufrieden über Asphalt und Wiesenmeer. „Das ist so geil, dass die das aufgemacht haben.“

Die Berliner haben den ehemaligen Flughafen Tempelhof in Besitz genommen und daraus einen Park für Trendsportarten, Familienausflüge, Botanikliebhaber und Vergnügungen aller Art gemacht. Die baumlose Weite, gepaart mit günstigen Windbedingungen, locken Surfer, Drachenlenker und Gleitschirmpiloten an. Gesichtet wurden auch Radfahrer mit Segel als Antriebshilfe. Gestartet und gelandet wird auch schon wieder. Modellflieger und Mini-Hubschrauber-Piloten lassen die Tradition des Flughafens fortleben.

Marvin aus Moabit, Student der Beuth-Hochschule für Technik, fühlt sich wie im US-Bundesstaat Idaho, wüsste er nicht, dass er mitten in Berlin steht. In Idaho dürfte er bestimmt nicht auf den Straßen Kitesurfen. Dabei steht der Surfer auf einem Skateboard und lässt sich von einem Drachen ziehen, bis zum Maximaltempo von 60 km/h. „Das geht nur hier“, sagt Marvin. „Cool, dass wir den Park haben.“ Nur die gelegentlichen Flauten machen ihm zu schaffen.

Dass der Park weitgehend ohne Erhebungen auskommt, müsste für viele Luftsportler eigentlich von Nachteil sein. „Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass wir vom Hügel fliegen“, sagt dagegen Gleitschirmpilot und Architekt Joachim Simon. Schließlich gibt es noch „Groundhandling“, das Beherrschen und Dirigieren des Schirms vom Boden aus, „Das gibt es schon als eigene Disziplin.“ Zum Groundhandling eignet sich das platte Flugfeld hervorragend. Simon und sein Sportkollege Robert Kerbl würden auch gerne eine Startwinde aufstellen, dann könnten sie hier richtig abheben.

Am Beginn der südlichen Rollbahn in Neukölln wummern die Lautsprecher einer Straßendisko. Kinder aus Paris und Berlin üben zusammen Breakdance, unter der Leitung des Profitänzers Darwin. Zur Stromversorgung haben sie eine Leitung bis ins nahe Jugendzentrum verlegt. Ivan Stevanovic, der die Gruppe leitet, will im nächsten Jahr regelmäßig Tanz-Events auf dem Flugfeld veranstalten. Und warum gerade hier? „Diese Weite, das ist einfach cool hier.“

Es gibt eben genug Raum für alle möglichen Ideen. Und niemand kommt sich ins Gehege. Bisher zumindest. „Es gibt keine Nutzungskonflikte“, sagt Mathias Gille von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Auch der vor der Öffnung befürchtete Vandalismus oder ein Überschwappen des Drogenhandels aus der Hasenheide seien nicht eingetreten. Die privaten Ordnungshüter im Park sprechen von einer „positiven Grundstimmung“. Eingreifen müssten sie selten. Mehr als 700 000 Besucher kamen bislang in den neuen Park. An Wochenenden bewegen sich bis zu 30 000 Menschen täglich auf dem Gelände. „Die Nutzung nimmt ständig zu“, sagt Gille.

Im Zentrum des Wiesenmeers ist nur noch Gezwitscher unsichtbarer Singvögel zu hören. Vereinzelt liegen Großstadtflüchtlinge neben ihren Fahrrädern am Wiesenrand und genießen mit geschlossenen Augen die Einsamkeit. Schilder erklären, dass seltene Pflanzen wie der Finger-Steinbrech, das Sand-Vergissmeinnicht und das Fünfmännige Hornkraut hier Unterschlupf gefunden haben.

Nirgends, wirklich nirgends ist ein Hund zu sehen. Obwohl Hunde erlaubt sind, angeleint oder frei in zwei Auslaufgehegen.

Auch für die Griller sind zwei Zonen ausgewiesen. Davon wird rege Gebrauch gemacht, ohne dass es überfüllt wirkt. Geburtstage werden auf dem Tempelhofer Feld gefeiert. Fußballer und Boule-Spieler treffen sich hier. Schulklassen machen ihren Wandertag. Jetzt noch ein Badesee, dann wäre alles perfekt

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