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Frida Kahlo: Die Lust am Leiden

Ich war Frida: Echte Kahlo-Fans wissen, wie sich Leiden anfühlt. Das stundenlange Warten bringt sie der Künstlerin näher.

Sie konnte kaum stehen und gehen. Musste zeitweilig monatelang bewegungslos im Bett liegen. Saß später im Rollstuhl oder wurde auf Stühlen und Bahren getragen. Die mexikanische Malerin Frida Kahlo war seit einem schweren Busunfall, bei dem ihr Becken durchbohrt wurde, schwer leidend. Sie hat dieses Leiden wieder und wieder in ihren Bildern thematisiert.

Derzeit leiden andere. Manchmal mehr als acht Stunden lang. So lange brauchte es zuletzt, um als Normalbesucher Einlass zur Frida-Kahlo-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zu finden. Die üblichen Beschwerden der Schlangesteher: Füße schmerzen, der Rücken auch. Kreislaufprobleme sind bei Hitze nicht selten, die Luft, ist man erst einmal im Gebäude angekommen, wird dünn und schlecht. Wie viel Kraft und Aufmerksamkeit der Kunst am Ende noch gelten kann, sei dahingestellt. Dabeisein ist alles.

Weit über 200 000 Besucher werden es am Ende sein – für Berlin eine hohe Zahl. Auch die Veranstalter waren vom Andrang überrascht und bis zum Ende der Ausstellung nicht imstande, etwa ein Zeitkartensystem zur besseren Einteilung der Besucherströme einzuführen. Was hätte man mit sieben Stunden Lebenszeit anfangen können – um dann entspannt in die Ausstellung zu schreiten. Doch das wäre nicht die Erfahrung gewesen, die offenbar so viele gerade suchen.

Warum der Hype? Am Ende wird der Ausstellungsbesuch zum Selbstläufer, so viele Fans können nicht irren. Man muss Frida gesehen haben – da können andere Ausstellungen, selbst im gleichen Haus, nicht mithalten. Doch lange, bevor die Schlange zu Frida zum Markenzeichen wurde, hat diese Ausstellung mehr als andere die Gemüter bewegt. Die Königin der Schmerzen, die Madonna des Leids, sie scheint den Ton der Zeit getroffen zu haben. Ihre Bilder sind drastisch, doch sie sind fasslich. Sie sind immer konkret und fantastisch zugleich, sie sind ein Angebot: Du verstehst mich. Genau du.

Am Ende steht man vor dem Bild „Die gebrochene Säule“, ein Selbstporträt der Künstlerin, nackt in ein Korsett gezwängt, die Haut mit Nadeln durchstochen, die Wirbelsäule gebrochen. Ich weiß jetzt, wie sie sich fühlt. Ich war Frida.

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