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Berlin: Friedensgespräche am Spielfeldrand

Ab Sonntag treten am Mariannenplatz in Kreuzberg Mannschaften aus 22 Ländern zur Streetfootball-WM an Für viele Teilnehmer ist Fußball auch ein Ausweg aus dem sozialen Abseits. Israelis und Palästinenser spielen in einem Team

Aaron und Michael schwitzen, es ist heiß, aber Lauftraining muss sein. Eine Runde noch, dann klatscht Trainer Jason McKoy kurz in die Hände, „Okay, Guys, ab unter die Dusche!“. Aaron und Michael spielen Fußball, „mit Leidenschaft!“, sagt Michael, sie spielen für England bei der Straßenfußball-Weltmeisterschaft, die ab Sonntag auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg ausgetragen wird.

Vor gut einem Jahr war Aaron auf dem besten Weg, ins Gefängnis zu kommen. Warum, darüber möchte der muskulöse 17-Jährige nicht reden. Viel lieber möchte er erzählen, wie ihn der Fußball von der Straße geholt hat, und wie viel Spaß es ihm macht, als offensiver Mittelfeldspieler in der englischen „Streetleague“ zu spielen. Aber er sucht nach den richtigen Worten, Michael hilft ihm, „Fußball“, sagt der schmale Torwart, „hat sein Leben verändert“.

Das gilt für alle Spieler der Mannschaften aus 22 Ländern, die in diesen Tagen die Zimmer in einer alten Grundschule am Mariannenplatz beziehen. Sie sind aus Kenia oder Brasilien, Afghanistan oder Ruanda, und wie Michael und Aaron spielen sie in sozialen Fußballprojekten. Dort lernen sie oft mehr als Freistöße und Doppelpässe – die meisten Projekte engagieren sich auch für die Bildung ihrer Spieler und fördern gemeinnützige Arbeit in ihrer Stadt.

Gerade ist das „Peace Team“ angekommen, in dem Jugendliche aus Israel und Palästina gemeinsam antreten. Acht Jungs schleppen ihre Taschen in den Schlafraum. Im Türrahmen steht Architekt Florian Brenner. Sein Büro „Raumstar*“, das er mit Michael Kloos betreibt, hat die Schule zum WM-Quartier umgebaut. Bettgestelle und Regale sind aus Baugerüsten, der grüne Teppich auf den Regalböden sieht aus wie Fußballrasen. Mit Material von der Straße wollten die Architekten arbeiten, die Gerüste sollen an Stadien erinnern. Renoviert wurde die Schule von arbeitslosen Jugendlichen in einem Projekt des Arbeitsamts. Florian Brenner sieht zu, wie Israelis und Palästinenser ihre Taschen auspacken, „jetzt belebt sich das Konzept endlich“.

Es sieht aus wie Klassenfahrt, aber für Fadi aus Ramallah ist es mehr als irgendein Jugendcamp, „ich will Israelis kennen lernen, denn wir alle können so nicht weiterleben“. Zweimal pro Woche muss der 20-jährige palästinensische Student durch den israelischen Checkpoint, um im israelischen Teil Jerusalems zum Training zu gehen. „Aber das Team hat uns zu Freunden gemacht“, sagt er.

Bis zum Start am Sonntag können Michael und Aaron, Fadi und die anderen sich eingewöhnen und miteinander bolzen. Die Teams aus Kenia, Südafrika und Mazedonien sind auch schon angekommen. Eigentlich hatte Vladimir Borkovic von Streetfootballworld, dem Veranstalter des Turniers, zwei Mannschaften aus Nigeria und Ghana erwartet, „die Jungs hatten schon gepackt“, erzählt er, aber dann wurden ihre Visa im letzten Moment nicht genehmigt, „das war eine Riesenenttäuschung“.

Doch es überwiegt die Vorfreude in Kreuzberg, auch bei Elisha und Havenah aus Mathare, einem Slum bei Nairobi. Ihr erster Fußball war aus Papier und Schnüren, die Straße „voller Löcher, staubig und steinig“. Gestern sind sie in Kreuzberg angekommen, und Berlin haben sie sich auch schon ein bisschen angesehen. „Wir waren an der Mauer“, sagt Elisha, „ganz schön groß – aber ziemlich alt.“

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