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Friedhofsstreit: Gummienten auf Loriots Grab - würdelos oder humorvoll?

Loriot-Fans schmücken seine letzte Ruhestätte mit Badewannen-Entchen und Porzellanmöpsen. Kritiker halten das für pietätlos, das Grab werde damit ins Lächerliche gezogen.

Eine Quietscheente ist doch nun wirklich das Harmloseste, was es gibt, sollte man denken. Denkste. In einem von Loriots bekanntesten Werken, „Zwei Herren im Bad“, wird ein Exemplar dieser Gattung zum Anlass einer mittelschweren Krise zwischen Herrn Doktor Klöbner („Mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht!“) und Herrn Müller-Lüdenscheidt („Sie lassen jetzt sofort die Ente zu Wasser!“). Quietscheenten haben offenbar das Potenzial, die Gemüter zu erregen, auch jetzt wieder. Manche von Vicco von Bülows treuen Anhängern erweisen ihm die Ehre, indem sie Plastikentchen auf seinem Grabstein auf dem Waldfriedhof Heerstraße abstellen. Inzwischen ist aus den einzeln platzierten Plastiktieren eine ganze Entenfamilie in Gelb, Schwarz und Türkis geworden. Und nicht jedem gefällt das.

„Die Pietät gebietet es, der Grabstätte ihre Würde zu belassen und sie nicht ins Lächerliche zu ziehen“, schrieb vor kurzem ein Leser an den Tagesspiegel. Nicht ohne Grund trage von Bülows Grabstein nicht den Künstler-, sondern seinen bürgerlichen Namen Bernhard-Viktor von Bülow. Aber lebt Loriot nicht gerade in den Figuren fort, die er geschaffen hat? Und: Sind Grabstätten nicht ganz individuell gestaltete Orte der Erinnerung? Eine zwiespältige Angelegenheit. Wie sieht es denn bei Loriots Friedhofsnachbarn aus? 

Er ist ja nicht der einzige Prominente, der auf dem Waldfriedhof Heerstraße bestattet ist. George Grosz: Fehlanzeige, nur das übliche Grün, keine auffälligen Beigaben. Aber bei Horst Buchholz: Den Grabstein schmückt ein Foto aus seiner besten Zeit, das ikonische Bild mit Schiebermütze vor dem Brandenburger Tor aus Billy Wilders Film „Eins, zwei drei“. Steinchen liegen auf seinem Grab, eine Tradition, die offenbar auch außerhalb des jüdischen Kulturkreises immer populärer wird. Ein Stein trägt sogar eine Widmung: „Lieber Gruß, Ecki 2010“.

Kryptischer wird es bei Joachim Ringelnatz. Jemand hat ein Fläschchen Eierlikör und die Figur einer spanischen Tänzerin abgestellt. Der Bumerang, der an einer Stange im Wind baumelt, erschließt sich unmittelbar. Denn das Gedicht von Ringelnatz, auf das er Bezug nimmt, hängt gleich daneben: „War einmal ein Bumerang/War ein weniges zu lang/Bumerang flog ein Stück/Aber kam nicht mehr zurück/Publikum – noch stundenlang/wartete auf Bumerang.“

Eigentlich ist das alles verboten. Die städtischen und konfessionellen Friedhöfe in Berlin unterliegen dem Friedhofsgesetz, zusätzlich kann der entsprechende Träger eine eigene Ordnung erlassen. Im Gesetz steht, dass nicht biologisch abbaubare Materialien auf Gräbern nicht gestattet sind. Und weiter: „Gegenstände, die der Würde des Friedhofs nicht entsprechen, dürfen auf den Grabstätten nicht aufgestellt und verwahrt werden.“ Das Gesetz in seiner derzeit gültigen Fassung stammt von 1976.

„Die Sitten und Gebräuche sind heute andere“, sagt Anke Wünnecke, bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig für Friedhofsangelegenheiten. „Was die Besucher auf den Grabstätten ablegen, ist auch ein Ausdruck von Zeit und Gesellschaft. Wir tolerieren das in der Regel.“ Völlig geschmacklose Gegenstände würden ohnehin nicht abgelegt. Und: „Friedhöfe wollen ja nicht gegen die Besucher anarbeiten, sondern ihnen entgegenkommen und Trauer ermöglichen“, sagt Wünnecke.

Ein anderer hatte bereits zwei Porzellanmöpse auf das Grab gestellt

Außerdem: Opulent verziert werden normalerweise die Gräber vor kurzem Verstorbener. „Mit den Jahren nimmt das ab“, sagt Anke Wünnecke. Das sieht man an Hildegard Knefs Grab auf dem Waldfriedhof Zehlendorf: Dort liegen ein Kranz des Regierenden Bürgermeisters, weil sich ihr Todestag zum zehnten Mal gejährt hat, und – natürlich – rote Rosen. Auch Rudi Dutschkes Tod ist offenbar schon zu lange her. Trotz FU-Nähe liegen nur einige Steinchen auf seinem Grab auf dem St.-Annen-Kirchhof in Dahlem. Bei Marlene Dietrich auf dem Friedhof Stubenrauchstraße: ein Plakat von Maximilian Schells Film, ein paar Blumen, das war’s. Als Gegenbeispiel taugt Thomas Dörflein, verstorben 2008. Sein Urnengrab und der Gedenkstein für Eisbär Knut liegen auf dem Friedhof „In den Kisseln“ in Spandau unmittelbar nebeneinander. Gemeinsam bilden sie einen Altar aus Fotos, Gedichten und kleinen Eisbären, aus Weihnachtsmännern, Schornsteinfegern, Puppen und Briefen. Jemand bedankt sich „für den süßen Knut“, ein anderer klagt den Zoo an: „Lieber Knut, durch deinen Tod ist dir viel erspart geblieben an Gefühllosigkeit, Ignoranz und Inkompetenz gegenüber deinen Bedürfnissen.“

Aus sicht der Kritiker angemessener: Das Grab von Horst Buchholz.
Aus sicht der Kritiker angemessener: Das Grab von Horst Buchholz.

© Thilo Rückeis

Ton-Steine-Scherben-Sänger Rio Reiser ist zwar schon 1996 verstorben, sein Grab wurde aber erst im Februar 2011 auf den Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg verlegt. Seither schmücken es zahlreiche kleine und große Kronen für den „König von Deutschland“.

Der König des deutschen Humors, das war Loriot. „Nein, wir haben eigentlich keine Beschwerden wegen der Quietscheenten“, sagt ein Mitarbeiter des Waldfriedhofs Heerstraße. Im Gegenteil: Ein Besucher habe vorgeschlagen: „Die Ente bleibt draußen“ auf den Grabstein zu schreiben. Ein anderer habe zwei Porzellanmöpse auf dem Grab abgestellt, die seien aber inzwischen gestohlen worden. Ginge es nach Loriots Sketchen, könnte es noch schlimmer kommen. Noch hatte kein trauernder Fan die Idee, eine Nudel an den Grabstein zu kleben.

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