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Berlin: Friedrich war hier

Das Neue Palais rüstet sich für seinen bisher größten Auftritt: die Schau Friederisiko – ein Blick in die Gemächer des Preußenkönigs.

Der Grund für Reinhard Alings’ Begeisterung schimmert lila unter Schaumstoffmatten hervor. „Die Farbe nennen wir Maulbeer“, sagt er und klopft sachte auf die Plastikoberfläche. „Sie hat den Vorteil, dass sie nirgendwo im Schloss vorkommt, aber mit allen vorhandenen Farben harmoniert.“ Fast zärtlich schlägt Alings die Matte wieder über den Belag, der die Marmor- und Parkettböden im Neuen Palais vor den sandigen Schuhsohlen der Besucher schützen soll. Vom 28. April bis 28. Oktober werden täglich Tausende darüberlaufen. Und Alings, als technischer Leiter der großen Jubiläumsausstellung „Friederisiko“ zum 300. Geburtstag des Preußenkönigs zuständig für die Logistik der Schau, ist mit den Vorbereitungen sichtlich zufrieden.

Mehr als die Hälfte des Plastikpfads ist verlegt, am Ende wird er mehr als einen Kilometer lang sein und durch mehr als 70 Räume führen; viele davon sind erstmals zu sehen. Hinter jeder Ecke wartet eine neue Überraschung. Hinter einer recht unscheinbaren Tür im ersten Stock etwa verbirgt sich ein Juwel – das Grüne Scherbenkabinett. Der ganze Raum, inklusive Decke und Rückseite der Tür, ist mit asymmetrisch gebrochenen Glasscherben verkleidet. Weil sie auf eine Silberfolie geklebt wurden, schimmern sie in einem kühlen Glanz. Wegen der Empfindlichkeit des Glases war das Kabinett bislang tabu und ist zur Ausstellung erstmals zu besichtigen. Wer etwas Ähnliches sehen will, muss weit reisen: Vergleichbar sei allenfalls das Grüne Kabinett im Schloss Tettnang am Bodensee, erklärt die Schlösserstiftung. Dort sind nur die Wände mit Scherben dekoriert.

Für Alings ist der Ort der Schau Fluch und Segen zugleich. Eigentlich sei das Neue Palais für eine Ausstellung denkbar ungeeignet – die Besucher müssten teils durch enge Räume. Zudem ist nahezu jedes Zimmer eine Kostbarkeit, wo weder gesägt noch gehämmert oder etwas angeschraubt werden darf. Gemälde werden daher auf einer Art Staffelei vor die stoffbespannten Wände gestellt. „Die Arbeit hier ist die spektakulärste, die ich je gemacht habe“, sagt Alings. Das liegt nicht zuletzt an der besonderen Aura des Ortes. „Hier ist der König selbst entlanggelaufen. Das erste Exponat ist das Neue Palais selbst.“ Tatsächlich treten die Schrullen des Alten Fritz heute noch im Schloss zutage, etwa im Speisezimmer seiner Wohnung, wo die Künstler in die Intarsien der Holzmöbel Kirschen eingelassen haben, Friedrichs Lieblingsobst, dessen Anschaffung er sich im Winter Unsummen kosten ließ. In diesem Raum soll unter anderem ein Speisezettel zu sehen sein. Die Mahlzeit nahm Friedrich zwei Wochen vor seinem Tod ein. Weil ihm der Vorschlag des Kochs aber nicht gefiel, warf der kranke Monarch mit krakeligen Anmerkungen die Speisefolge über den Haufen. „Das ist mein Lieblingsexponat“, sagt Alings, „denn damit kommt man dem König menschlich am nächsten.“

Menscheln soll es auch in der Wohnung des Marquis d’Argens: Die Räume des königlichen Beraters sollen Friedrichs Freunden gewidmet werden. Hier wird etwa der berühmte „Nackte Voltaire“ zu sehen sein, Pigalles Marmorbüste des großen Philosophen, die der Louvre erstmals als Leihgabe zur Verfügung stellt. „Wir mussten erst mal die Statik messen, ob der Fußboden überhaupt die eine Tonne Gewicht trägt.“ Dank „Friederisiko“ kann Alings auch uralte Missstände im Schloss beheben: So wurden knapp 40 Buschfeldringe aus Aluminium angeschafft, die, oberhalb der gewaltigen alten Kronleuchter angebracht, mit modernen Strahlern eine adäquate Beleuchtung der häufig dunklen Räume ermöglichen.

Im Vestibül vor dem Marmorsaal bauen Arbeiter an einer Oase der Ruhe, einem Rondell aus Sitzbänken. Wie der Laufsteg sind sie maulbeerfarben, ebenso die beleuchteten Vitrinen, in denen die Besucher Informationen über den jeweiligen Raum bekommen. Das meiste wird das Publikum allerdings aus dem 100-seitigen Heft erfahren, das im Eintrittspreis von 14 Euro enthalten ist. „Reiseführer durchs Neue Palais“ nennt Alings die Broschüre, in der alle Exponate beschrieben sind, damit nicht zahllose Schilder Friedrichs Schloss verunzieren. Die Besucher, sagt Alings, sollen den Geist des Monarchen spüren: „Sie sollen das Gefühl haben, der König ist nicht zu Hause, hat aber vergessen abzuschließen.“

Peter Straube

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