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Friedrichshain: Die Burg verteidigt

Die „Laster- und Hängeburg“ in Friedrichshain soll nun doch nicht Platz machen für eine Sportanlage.

Raimer ist gut vorbereitet. Das muss er auch, denn er ist so etwas wie der Sprecher der „Laster- und Hängeburg“ in Friedrichshain. Und die Wagenburg an der Modersohnstraße, in der alte Mercedes-Transporter neben Zapf-Umzugswagen und einem ausrangierten Hänger von „Trecker-Becker“ stehen, ist unter Beschuss. Ausgerechnet die Linke hatte den Antrag gestellt, auf dem Grundstück eine Sport- und Freizeitanlage zu errichten. „Jetzt ist es nicht mehr ganz so einfach mit dem Abhängen und Lastern Frönen“, sagt Raimers Freundin Ellen.

Doch was ist eigentlich passiert? Die Fraktion der Linken hatte einen Investitionsantrag in der Bezirksverordnetenversammlung gestellt, und der bekam vom Fachausschuss für Stadtentwicklung eine Beschlussempfehlung. An diesem Mittwoch sollten die Bezirkspolitiker deshalb beschließen: Die Wagenburg möge über kurz oder lang Platz machen für den Sportplatz. Doch Montag kam der Salto rückwärts: Die PDS will den Sportplatz nun nicht mehr hier, sondern auf dem RAW-Gelände an der Revaler Straße anlegen. Die Burg soll bleiben.

„Das glaube ich erst, wenn am Mittwoch darüber abgestimmt wurde“, sagt Raimer. Der Mann mit dem Backenbart und den kurzen, kastanienbraunen Haaren erfüllt so gar nicht das Bild eines Wagenburglers: Er sitzt vor einem Laptop in einem silberfarbenen Anhänger. Der Ghettoblaster pustet harte Riffs in den Raum. Der Strom kommt von den Solarzellen auf dem Wagen.

Deshalb haben die drei Dutzend Bewohner der Burg auch so etwas wie ein Imageproblem. „Die verdienen ganz gut“, heißt es unter Politikern im Bezirk. Soll heißen: Warum besetzen sie Landeseigentum und mieten keine Wohnung, wie es sich für gute Bürger gehört? Das dürfte auch der Grund für den überraschenden Vorstoß der Linken sein. Dabei galt in der Fraktion seit dem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung im Jahr 2001: Wagenburgler sollen geduldet werden. „Es gab die Neigung, noch einmal darüber nachzudenken“, räumt PDS-Fraktions-Chef Lothar Schüßler ein. Beim Nachdenken blieb es. „SPD und Grüne werden wohl unseren neuen Weg mitgehen“, sagt er: und für den Sportplatz in der Revaler Straße und die Erhaltung der Wagenburg stimmen.

Zur Freude der Eltern und kleinen Kinder, aber nicht der Jugendlichen aus der Burg. Denn in der Pubertät scheint sich bei heranwachsenen Wagenburglern so etwas wie eine „LBS-Neurose“ auszubilden: So manche 13-Jährige verhalte sich wie in der Bausparkassenwerbung, berichtet Raimer. „Eine Bewohnerin zog deshalb von der Wagenburg in eine Mietwohnung, weil die Tochter es so wollte“, sagt er. Das Mädchen verlangte es nach vier festen Wänden samt Küche-Dusche-Bad. Statt eines LBS-Eigenheims bezogen die beiden aber eine Neuköllner WG.

Dabei haben es die Friedrichshainer Hängeburgler gar nicht so schlecht: Es gibt einen Badewagen, eine Sauna, Miettoiletten und fließendes Wasser. Gewiss, die Verhältnisse sind beengt: Socken hängen zum Trocknen an einer Leine unterm Wagendach. Der grimmig dreinblickende Teddy sitzt auf dem Küchentisch – und das Frühstücksgeschirr ist liegen geblieben. Anders als auf 100 Quadratmetern lässt sich die fröhliche Unordnung einer Familie mit zwei Kindern hier eben nicht verbergen.

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