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Berlin: Friedrichshain-Kreuzberg: Drei Entwürfe für das "Revaler Viereck"

Obwohl tausende von Berlinern jeden Tag über die Warschauer Brücke wandern, ist das Gebiet unmittelbar neben dem nördlichen Brückenkopf fast eine Terra incognita. Kein Wunder, denn die Fläche liegt nicht nur wesentlich tiefer als die Warschauer Straße, sondern ist von dieser auch durch einen mit Büschen und Sträuchern zugewachsenen Wellblechzaun getrennt.

Obwohl tausende von Berlinern jeden Tag über die Warschauer Brücke wandern, ist das Gebiet unmittelbar neben dem nördlichen Brückenkopf fast eine Terra incognita. Kein Wunder, denn die Fläche liegt nicht nur wesentlich tiefer als die Warschauer Straße, sondern ist von dieser auch durch einen mit Büschen und Sträuchern zugewachsenen Wellblechzaun getrennt. Eine hohe Mauer schottet es von der Revaler Straße ab. Dahinter liegt das RAW, das ehemalige Reichsbahnausbesserungswerk "Franz Stenzer", ein Areal mit 140-jähriger Geschichte industrieller Nutzung, das nun neu gestaltet werden soll.

Bis 1991 liess die Reichsbahn hier Kühlwagen reparieren, über 2000 Leute waren zu Höchstzeiten im RAW beschäftigt. Seit der Schließung des Werks wird nur noch ein kleiner Teil des zehn Hektar großen Geländes von der Bahn zur Säuberung ihrer Nachtzüge und von dem soziokulturellen Verein "RAW-tempel e.V." genutzt. Der Rest - Eisenbahnhallen und Industriearchitektur von eigenwilliger Schönheit - verfällt. An den Wänden kleben noch DDR-Tapeten aus den siebziger Jahren; auch das werkseigene Theater existiert noch, wenn auch in einem jämmerlichem Zustand. Die älteste Halle von 1860, die erstaunlicherweise nicht unter Denkmalschutz steht, nutzte Jean-Jacques Annaud für Innenaufnahmen seines Films "Enemy at the Gates".

Das RAW-Gelände zählt zu den vielen postindustriellen, innerstädtischen Brachflächen in Berlin. Wie auch das Gleisdreieck oder der Wriezener Güterbahnhof befindet es sich im Besitz der Bahn, die damit ein maßgebliches Wort über die Zukunft der Fläche mitredet. Dass das als "Revaler Viereck" bezeichnete Areal neu bebaut werden soll, steht schon lange fest. Als die Immobilie im März in den Besitz der ehemaligen Bahntochter Vivico Management GmbH überging, kam neuer Schwung in die Planungen. Die Vivico setzt auf eine Mischbebauung. Wie stark sich der Bürocharakter ausprägen wird und in welchem Maße sich die Bebauung an den Bedürfnissen der Friedrichshainer Umgebung orientieren wird, soll sich in den nächsten Wochen klären.

Für den Bezirk stellt Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) fest: "Uns ist es wichtig, dass genügend Grün und Parkplätze vorhanden sein werden, dass RAW-tempel e.V. in die Planungen einbezogen wird und dass keine zusätzliche Konkurrenz entsteht für den Einzelhandel an der Warschauer Straße, der sowieso nicht stabilisiert ist." Schulz könnte sich aber vorstellen, dass der Supermarkt an der Warschauer Straße, der an zentraler Stelle die Bezirksgrenze prägt, auf die andere Straßenseite zieht. Der Auftrag der Vivico wiederum lautet, das Gelände zu entwickeln und möglichst "wertoptimal" zu vermarkten, das heißt mit größtmöglichem Gewinn zu verkaufen.

"Das muss aber einer kulturellen Nutzung nicht wiedersprechen", sagt Wilhelm Brandt von der Vivico in Frankfurt, "solange das Gesamtkonzept wirtschaftlich tragfähig ist". Der Vorstand von RAW-tempel e.V., Edward Harry, befürchtet aber, dass zu diesem Konzept auch große kommerzielle Kulturveranstaltungen gehören werden. "Da würden wir dann überhaupt nicht reinpassen, denn wir kritisieren gerade die herkömmliche Definition von Kultur. Wir wollen eine Kultur, die nicht von weit hergeholt wird, sondern die wir selbst entwickeln."

Die Vivico hat sich bereit erklärt, die bauliche Gestaltung nicht im Alleingang zu entwickeln, sondern in einem sogenannten "diskursiven Verfahren", an dem auch die Bürger beteiligt sein sollen. "Wenn wir zusammen arbeiten, müssen alle Beteiligten Farbe bekennen und konstruktiv mitarbeiten", so Brandt.

Seit September veranstaltet die Vivico einen Wettbewerb, zu dem die drei Architekturbüros Heinrich Böll (Essen), Kees Christiaanse (Rotterdam) und Walter Noebel (Berlin) eingeladen wurden. Insgesamt dreimal präsentieren die Büros ihre Entwürfe einem Gremium, in dem Verkehrsexperten, Denkmalpfleger, aber auch der Bezirk, Senat und RAW-tempel e.V. vertreten sind. Schulz rechnet damit, dass der Bezirk bis Anfang 2003 einen Bebauungsplan erstellen wird.

Ausdrücklich sollen sich die Einwohner zu den Plänen äußern. Die Entwürfe der Architekturbüros sind noch bis Freitag im Rathaus Kreuzberg an der Yorckstraße ausgestellt, und zwar vor den Räumen 2060 und 2061 des Stadtplanungsamtes im 2. Stock. Dort können die Bürger schriftliche Anmerkungen zu den Plänen machen, die in den Entscheidungsprozess einfließen sollen. In den letzten Wochen hat RAW-tempel bereits alle Interessierten zu Diskussionsrunden mit Fachleuten aus den Bereichen Neue Arbeit und Städtebau eingeladen. Ein Trend lasse sich noch nicht ausmachen, so der Verein, aber eines wollen die Bewohner des Bezirks auf jeden Fall: Viele Grünflächen.

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