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FRIEDRICHSTADTPALAST IN DER KRISE Das Revuetheater kämpft gegen die Insolvenz: „Das werden wir schon schaffen“

Im Friedrichstadtpalast nimmt man die Aufregung um die finanzielle Schieflage gelassen

Von außen wirkt der Friedrichstadtpalast friedlich, als drohe keine Gefahr. Eine weißgekleidete Schönheit lächelt von einem großen Plakat und kündigt die nächste Premiere an: „Qi – eine Palast-Phantasie“. Ihr Unterleib besteht aus einer Feder – nur wer Übles denkt, könnte auf die Idee kommen, auch die nächste Show sei womöglich ein Leichtgewicht. Und doch ist die Zukunft des Hauses in der Schwebe. Der Friedrichstadtpalast braucht ein Darlehen des Landes über 3,5 Millionen Euro. Sonst droht die Insolvenz.

Vor dem Bühneneingang und in den Fluren und Korridoren ist von Aufregung, Sorge oder Zorn indes nichts zu spüren. Tänzer machen Mittagspause im Freien, sie plaudern entspannt auf Englisch, niedergeschlagen wirkt keiner von ihnen. Der Grund für die relative Ruhe: Viele Mitarbeiter wissen seit mindestens einem halben Jahr, dass noch einmal Geld vom Land nötig ist – Geld, das übrigens kein Zuschuss sein soll, sondern zurückgezahlt werden muss. „Der Finanzbedarf war eigentlich auch der Kulturverwaltung bekannt“, sagt Intendant Bernd Schmidt. Er wirkt verhalten optimistisch, als er verkündet: „Die negativen Schlagzeilen sind natürlich ein Rückschlag für uns, aber wir werden es schaffen. Dafür wurde ich schließlich geholt. Ich bekomme das Schiff wieder gerade.“

Seit 1. November 2007 ist Schmidt Intendant und fand als Erbe seines Vorgängers Thomas Münstermann Verluste von vier Millionen Euro und eine Auslastung von 68 Prozent vor. Inzwischen sind 40 Mitarbeiter entlassen oder vorzeitig in Rente geschickt worden. Die Auslastung ist im ersten Halbjahr 2008 um zehn Prozent gestiegen. „Gegen den Berliner Theatertrend“, wie Schmidt betont.

Wahrscheinlich hat die Gelassenheit, mit der man im Haus den neuesten Nachrichten begegnet, auch damit zu tun, dass die Mitarbeiter viele Höhen und Tiefen erlebt haben. Oberspielleiter Jürgen Nass, der die „Qi“-Revue inszeniert, arbeitet seit 24 Jahren hier. „Für uns war das Thema Finanzen eigentlich erstmal durch, wir sind überrascht, dass es wieder hochgekocht wird.“ Marlies Schalk und Till Hartmann vom Betriebsrat, beide seit über 30 Jahren am Haus, berichten von Kollegen, die sich ganz schön geärgert haben: „Eigentlich weiß doch jeder, dass wir 2008/09 noch ein strukturelles Defizit haben. Für 2010 sind wir sehr optimistisch, dass wir nicht mehr bei jedem Flop um unsere Existenz fürchten müssen.“

Überlebt habe sich das Prinzip Revue nicht, davon ist Berndt Schmidt überzeugt. Die Bustouristen der Vergangenheit, von denen die Mehrheit aus Westdeutschland kam, würden durch moderne Individualtouristen ersetzt. „Revue ist eine offene Kunstform“, sagt er, „entscheidend ist, was man reinpackt. Sehen Sie sich Madonna oder Kylie Minogue an – die haben Federn, Pailletten, Tänzer. Das ist reine Revue.“ Madonna im Friedrichstadtpalast – vielleicht sollte man das Undenkbare denken. Aber die war ja gerade erst da. Udo Badelt

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