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Friedrichstraße: U-Bahn-Prügelopfer bestreitet Mitschuld

Der Anwalt von Markus P. wehrt sich gegen Vorwürfe, sein Mandant habe den Streit auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße erst herbeigeführt.

Drei Monate ist es her, dass Markus P. auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße brutal niedergeschlagen und getreten wurde. Doch an die Tat kann sich der 29-Jährige „weitestgehend nicht erinnern“, berichtet die Mutter des Opfers, Carmen P. dem Tagesspiegel. Schockiert sei ihr Sohn gewesen, als er erstmals die Videobilder der Öffentlichkeitsfahndung aus der Überwachungskamera sah. Darauf ist zu erkennen, wie der mittlerweile wegen versuchten Totschlags angeklagte Torben P. (18) mit seinem mutmaßlichen Komplizen den Handwerker niederschlägt und anschließend wie besinnungslos mehrfach auf dessen Kopf eintritt.

Nun, wenige Wochen vor Beginn des Prozesses, wird die Familie des Opfers erneut mit den Bildern konfrontiert. Der Fernsehsender „RBB“ hatte bislang nicht veröffentlichte Sequenzen aus dem Überwachungsvideo gezeigt. Sie dokumentieren die Minuten vor der Tat und zeigen: Auf einer Bank kommt es zwischen dem späteren Opfer und den Angeklagten zum verbalen Streit. Markus P. springt zuerst auf, es kommt zu einer Schubserei, bevor Torben P. ihn dann zusammenschlägt und gegen den Kopf tritt. Aufgrund dieser Reihenfolge gibt die Seite der Angeklagten dem Opfer indirekt eine Mitschuld. Markus P. trage durch sein aggressives Auftreten dazu bei, „dass die Auseinandersetzung körperlich wurde“, hatte Anwalt Thorsten Bieber, der den mitangeklagten 18-jährigen Begleiter von Torben P. vertritt, gesagt.

„Eine Provokation und massive Attacke gegen uns“, nennt der rechtliche Beistand des Opfers, Thomas Kämmer diese Äußerung. Man werde nicht akzeptieren, dass „auf solche Weise Stimmung gegen das Opfer gemacht wird“. Kämmer sagt: Von einer „Wende“ in diesem Fall könne keine Rede sein. Bei der Verteidigerseite lägen die Nerven blank, behauptet Kämmer, denn sollte der Angeklagte wegen versuchten Totschlags – wie es in der Anklage steht – verurteilt werden, „dann muss er wahrscheinlich ins Gefängnis“.

Anders sähe es aus, wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, dass es sich doch nur um eine gefährliche Körperverletzung handelt. „Dann wird normalerweise nur eine Bewährungsstrafe verhängt“, sagt Kämmer. Dass aufgrund der Videoausschnitte nun dem Opfer „eine Mitschuld an der Tat“ gegeben werde, sei „reine Verteidigungsstrategie“ und zeige, wie angreifbar die Stellung als Opfer in Deutschland heutzutage noch sei. „Widerlich und ekelerregend“ sei es, wie gegen das Opfer Stimmung gemacht worden sei.

Auch die Staatsanwaltschaft wehrte sich gegen indirekte Vorwürfe, sie habe bestimmte Ausschnitte des Videomaterials absichtlich nicht öffentlich gemacht. Es ist eine Eilsituation, in der die Strafverfolgungsbehörde darüber entscheidet, welche Bilder am besten für die Wiedererkennung der Täter geeignet seien, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Wichtig sei bei der Auswahl vor allem, den möglichen Zeugen die Tat deutlich vor Augen zu rufen und ihnen die Dringlichkeit zu vermitteln, Hinweise zu liefern. Fest stehe, dass dabei allen Verfahrensbeteiligten von Anfang an das gesamte Videomaterial vorgelegen habe – der Staatsanwaltschaft, den Verteidigern und auch dem Gericht.

Opferbeistand Kämmer sagt, es gebe einen entscheidenden Widerspruch auf der Seite der Angeklagten: Anfang Mai, also wenige Tage nach der Tat, hatte Torben P. einen persönlichen Entschuldigungsbrief an seinen Mandanten geschrieben. „In dem Brief bekennt er sich hundertprozentig schuldig und übernimmt die Verantwortung für die Tat, die er selbst als nicht wiedergutzumachen nennt“, resümiert Kämmer. Wie könne es dann sein, dass nun dem Opfer plötzlich eine Mitschuld an der Eskalation gegeben wird? Die Familie des Opfers hatte, wie berichtet, von Beginn an „begründete Zweifel“, sagt Kämmer, dass der Tatverdächtige aufrichtige Reue zeigte. „Nun versucht die Verteidigung, auf andere Weise Stimmung zu machen“, sagt Kämmer.

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