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Die Friedrichswerdersche Kirche in Berlins historischer Mitte.

© imago/PEMAX

Friedrichswerdersche Kirche in Berlin-Mitte: Berlin opfert seine Bauschätze dem Wohl der Investoren

Luxusapartments statt Schinkels Werk? Berlins Stadtentwicklungspolitik gibt das Falsche auf. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Gesprengt wurde sie nicht, nicht in die Luft gejagt, auf dass sie zu Brocken und Staub zerbröseln und für immer vom Erdboden verschwinden würde, so in der Art, wie die islamistischen Terroristen im Vorderen und Mittleren Orient unter dem jaulenden Protest des Westens bedeutende Bauwerke ausradieren. In diesem Fall geht die Ausradierung, Unsichtbarmachung schrittweise voran, vielmehr etagenweise.

Links und rechts der Friedrichswerderschen Kirche wird gebaut. Es entstehen fünf- bis siebengeschossige Luxusapartmentbauten, in einer günstigen Wohnraum benötigenden Stadt längst ein Reizthema, jeweils versehen mit Tiefgaragen, um den Luxus des Wohnens mit der Bequemlichkeit der An- und Abreise zu garnieren. Leider hat dann das Ausheben der dafür nötigen Gruben für das linksseitige Projekt (die „Kronprinzengärten“) dazu geführt, dass das Kirchenfundament sich senkte und „deutlich sichtbare Risse“ im Deckengewölbe wie im Fußboden aufklafften.

So geschildert 2013 in einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Katrin Lompscher. Die Kirche wurde notdürftig mit Betoneinspritzungen repariert – und für die Öffentlichkeit gesperrt. Statt eines Aufschreis wurde dazu von Senatsseite zufrieden vermeldet, dass die Kosten zur Beseitigung dieser Misslichkeiten vom Bauherrn, der Bauwert Investment Group, getragen würden.

In einer weiteren Senatsauskunft, diesmal aus diesem Jahr, geht es um den zweiten Bau, rechts der Kirche. Da heißt es: „Trotz weiterer Entfernung von der Kirche (statt 5 m bei den Kronprinzengärten ca. 10 m an der engsten Stelle) können auch hier Senkungen nicht ausgeschlossen werden.“ Nicht nur deshalb sei weiterhin unklar, ob die Sperrung jemals aufgehoben werde.

Fakt ist: Man sieht die Kirche kaum noch

Die Frage, die sich stellt, lautet wohl: Wird die Kirche, erbaut nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel zwischen 1824 und 1830, die das Bombardement des Zweiten Weltkriegs überstand und 40 Jahre kirchenfeindliche DDR-Planwirtschaft, auch die Stadtentwicklungspolitik der Boomstadt Berlin überstehen?

Die Luxusprojekte rings um das historische Gemäuer passen laut der amtierenden Senatsbaudirektorin zu den in den 1990er Jahren entworfenen Entwicklungszielen für die Gegend, die da seien: „Wiedergewinnung der historisch kleinteiligen Blockstruktur“ und „Schaffung einer angemessenen Umbauung“ der Kirche. Fakt ist stattdessen – ganz abgesehen von der statischen Bedrohung – dass, wer sich von Westen her der Kirche nähert, sie erst sieht, wenn er direkt vor ihr steht. So massiv drängt sich das Kronprinzengärten-Bauvorhaben der Berliner Bauwert Investment Group (gegründet übrigens von Jürgen Leibfried, der als Freund des historischen Berlins dereinst einen deutlich sechsstelligen Betrag für die Fassadenattrappe des Schlosses spendete, mit der 1993 für dessen Rekonstruktion geworben wurde) in den Vordergrund. Klein und bescheiden wirkt daneben das Kirchlein, das Berlin so viel wert sein könnte, aber leider nicht ist.

Reicht es der Stadt, wenn ihre Denkmäler nur noch Kulissen sind?

Das ist ein Armutszeugnis für die Stadt, ihre Verwaltung, ihre Politiker. Dass die Sicherung historischen Erbes durchaus eine Aufgabe der Politik sein kann, hat im Bund Kulturstaatsministerin Monika Grütters überdeutlich gemacht, als sie ihr Gesetz zum Kulturgutschutz vorlegte, mit dem sie den Handel mit national wertvollem Kulturgut beschränken wollte.

Und was macht Berlin? Opfert seine Schätze für Investorenwohl und internationale Kapitalanleger, denn vor allem an die richten sich die Bauvorhaben. Es gefährdet sein spärliches bauliches Erbe für ein bisschen Geld. Aber wenn die Friedrichswerdersche Kirche so ein bedeutendes Baudenkmal ist, wie allseits verlautet – und einiges spricht dafür –, dann ist der Umgang mit ihr keine Frage des Geldes. Dann geht es um Werte, die doch so gern beschworen werden, um Kulturschätze der Region, die, wenn einmal zerstört, unwiederbringlich sind.

Deshalb sind Fragen nach dem Umgang mit Kultur Fragen, die aus Prinzip beantwortet werden sollten, und nicht nach Kassenlage. Die Friedrichswerdersche Kirche ist (vielmehr war) eines der besterhaltenen Gebäude des größten Kulturschaffenden der Region. Man hätte sie besser gut behandelt. Aber vielleicht stürzt sie ja auch gar nicht ein, sondern hält sich wacker weiter. Und auch wenn sie für die Bürger auf ewig geschlossen bleibt, erfüllt sie dann wenigstens als herrlich kulturell-authentische Kulisse für Neubauprospekte großer Investkonsortien noch einen Zweck.

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