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Die Sonne lässt Natur und Stadt erstahlen. Aber die Kälte verkürzt den goldenen Oktober in Berlin.

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Früher Frost in Berlin: Kleine Eiszeit im Oktober

In Berlin zeigt sich der Herbst von seiner schönsten Seite, fühlt sich aber fast wie der Winter an. Die Nacht zu Montag wird wohl frostig.

Der frühe Vogel … könnte an diesem Sonntag ein Eisvogel sein. Der Herbst zeigt sich zwar von seiner schönsten Seite, aber fühlt sich fast wie der Winter an. Auf knapp unter null Grad ist das Thermometer an diesem Morgen in den Außenbezirken heruntergerauscht; die Nacht zu Montag wird wohl noch kälter, und tagsüber wird es bei allerhöchstens zehn Grad und strammem Ostwind selbst unterm Heizpilz ungemütlich.

Apropos Pilz: Der Frost dürfte die Saison vorzeitig beenden. „Bis Dienstag sind wir so sechs, sieben Grad unter dem Mittel für die Jahreszeit“, heißt es beim Wetterdienst Meteogroup. „Das ist schon viel.“ Die vom rekordheißen Sommer und vielen regenarmen Monaten gestresste Natur verabschiedet sich gezwungenermaßen in die Winterruhe. Draußen röhren die Laubbläser, in den Läden steht schon wieder das verbotene Streusalz zum Verkauf. Und die Kälte lässt das Laub rieseln, bevor der Oktober richtig golden werden kann.

Mehrere neue Schädlinge haben sich in Berlin etabliert

Wer im eigenen Garten harkt, dürfte die Spuren neuer Schädlinge vorfinden. Viele Walnüsse haben schwarze Hüllen, weil sich die Maden zweier Fruchtfliegenarten in ihnen eingenistet haben. Mit Gift lässt sich ihnen nicht beikommen; das Pflanzenschutzamt empfiehlt, die Früchte zu pflücken oder die Schalen aufzusammeln, damit die Maden nicht im Boden überwintern können. Dasselbe gilt für die ebenfalls neue Sonnenblumenfruchtfliege, die die zuletzt noch schön blühenden Gewächse fällt, indem sie sich durch ihre Stängel frisst. Auch in diesem Fall sollten die befallenen Pflanzenteile noch vor dem Winter beseitigt werden – und zwar nicht auf dem heimischen Kompost, sondern via BSR über Hausmüll, Laubsack oder Biotonne. „Diese Fliegen sind mit der Globalisierung zu uns gekommen und haben sich inzwischen etabliert“, sagt Derk Ehlert, Naturexperte bei der Stadtentwicklungsverwaltung. „Und der Klimawandel hilft ihnen dabei.“

Nicht überall stehen die Sonnenblumen noch. Viele sind von einer neuen Obstfliegenart zerfressen und abgebrochen.
Nicht überall stehen die Sonnenblumen noch. Viele sind von einer neuen Obstfliegenart zerfressen und abgebrochen.

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Damit ähneln sie der aus Südosteuropa eingewanderten Miniermotte, die seit Jahren den Kastanien zusetzt. Doch überall in der Stadt zeigt sich, wie sehr es hilft, das alte Laub mitsamt den Larven im Herbst zu beseitigen: Während Kastanien im Wald schon im Sommer braun wurden, tragen umsorgte Exemplare in Straßen, Parks und Höfen bis in den Herbst ihre markanten Blätter. Während am Himmel die Keilformationen der Kraniche und Gänse süd- und westwärts ziehen, wandert anderes Getier eher unbemerkt: Singvögel aus Skandinavien treffen zum Überwintern bei uns ein, zugleich fliegen heimische Singvögel – und ein Dutzend Fledermausarten – in mildere Gefilde. Andere Fledermausarten rasten zu Zehntausenden in Gemäuern wie der Spandauer Zitadelle und alten Wasserwerken. „Da finden gerade große Fisch-sucht-Fahrrad-Partys statt“, sagt Ehlert.

Noch schlimmer als Laubbläser sind: Laubsauger

Für die Fledermäuse hat die Kälte den Nachteil, dass ihnen die Insekten abhanden kommen, die sie vor dem Winter besonders reichlich fressen müssen: pro Tag ein Drittel ihres Körpergewichts. Auch Eichhörnchen und Igel sind jetzt besonders aktiv – was für Autofahrer bedeutet, besonders aufpassen zu müssen. „Wenn Igel spät dran sind, also ab Ende Oktober, werden sie sogar tagaktiv“, sagt Ehlert. In vorauseilender Hilfsbereitschaft einsammeln sollte man sie aber nur, wenn sie deutlich unter 500 Gramm wiegen. Eher geholfen ist ihnen mit einem Laub- und Reisighaufen im Garten als Winterquartier. Etwas Laub liegen zu lassen, tut auch den Beeten gut, die dann nicht so schnell austrocknen.

Ahornbäume bilden besonders schöne Herbstfarben aus. Sie dominieren auch im berühmten "Indian Summer" in Nordamerika.
Ahornbäume bilden besonders schöne Herbstfarben aus. Sie dominieren auch im berühmten "Indian Summer" in Nordamerika.

© ZB/dpa

Der Regen vom Donnerstag hat endlich die Trockenheit gelindert. Gewässert werden muss nur noch neu Gepflanztes, sagt Ehlert. „Eine neue Koniferenhecke sollte man selbst bei Frost gießen, auch wenn es mühsam ist und komisch aussieht.“ Wie sehr der trockenheiße Sommer den Stadtbäumen zugesetzt hat, wird sich nach Ehlerts Einschätzung erst später zeigen. „Klar ist, dass Straßenbäume Stress haben. Aber andererseits ist das nicht neu.“

Die Hauptgefahren sind Wurzelschäden (durch Bauarbeiten), Bodenverdichtung (Parken), Überdüngung (Hunde) und vor allem Vergiftung durch Tausalz. Das in Berlin geltende Verbot für den privaten Gebrauch ist mit hohen Strafen verbunden, die aber selten verhängt werden. Im Sommer könne das Salz im Boden dann sogar Feuchtigkeit aus den Baumwurzeln absaugen.

Während Salz die Bäume langfristig schädigt, sind Laubbläser eine akute – und objektiv schädliche – Plage: Mit dem Laub wirbeln sie Schimmelsporen und Feinstaub auf, hinzu kommen Abgase und Lärm. Noch schlimmer sind Laubsauger, die mit den Blättern sämtliche Kleinlebewesen vernichten. Einzige Ausnahme sind die erwähnten Kastanien. Wer stattdessen zum bewährten Rechen greift, friert außerdem weniger – und kann die kalte Sonne länger genießen.

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