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Berlin: Fünf Hundertschaften kamen im Morgengrauen

Nach dem langwierigen Streit zwischen Eigentümer und Bewohnern wurde die Yorckstraße 59 in Kreuzberg gestern früh von der Polizei geräumt

500 Polizisten und das Spezialeinsatzkommando haben gestern in den frühen Morgenstunden das Haus Yorckstraße 59 geräumt. 130 Personen hatten sich über Nacht in dem Kreuzberger Hinterhaus verbarrikadiert, doch das konnte die Räumung nur wenige Stunden aufhalten. Mit der „Yorck 59“ ist ein 16 Jahre altes Symbol der linken Szene verschwunden. Am Abend protestierten 1200 Sympathisanten in Kreuzberg gegen die Räumung. Die Demonstration, die am Willy-BrandtHaus und der Yorckstraße 59 vorbeiführte, verlief zunächst friedlich. Im Anschluss daran besetzten nach Polizeiangaben einige Demonstranten kurzfristig ein Haus in der Oranienstraße. Die Polizei brachte sie wenig später wieder hinaus.

In der Yorckstraße 59 hatten 60 Menschen aus linken Projekten gelebt und gearbeitet. Nach dem Verkauf des Hauses hatten die Bewohner im vergangenen Jahr eine Mieterhöhung abgelehnt, der Eigentümer hatte daraufhin vor Gericht einen Räumungstitel erwirkt. Letztlich verschaffte die Polizei nur dem Gerichtsvollzieher den Zutritt zum Haus. So mussten verschweißte Barrikaden geräumt und eine Falltür im Treppenhaus überwunden werden. Das Material für den Bau der Barrikaden hatten sich die Bewohner zum Teil von der Straße geholt. Zuvor hatten sie gefälschte Aufrufe mit einem Termin zum Sammeln von Sperrmüll in der Umgebung verteilt. Nachdem die Polizei im Vorfeld der Räumung davon erfahren hatte, musste die Stadtreinigung den noch an der Straße liegenden Müll abholen.

Bei der Räumung wehrten sich die Bewohner mit Farbbeuteln, Steine flogen nicht. 150 Personen wurden aus den vier Etagen geholt, die ersten mussten im abgeriegelten Innenhof niederknien. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele beobachtete die Räumung und protestierte gegen die Behandlung. Er fühlte sich „an Guantanamo erinnert“. Die Polizei verteidigte das Vorgehen gegen die Personen, die Widerstand geleistet haben sollen: „Niederknien lassen ist harmloser als Fesseln.“ Nach der Personalienfeststellung konnten alle gehen.

Monatelang hatten Eigentümer und Bewohner gestritten und verhandelt, beide Seiten zeigten kaum Kompromissbereitschaft. Die SPD hatte alle Bemühungen vor vier Wochen eingestellt, nachdem die Bewohner eine Willy-Brandt-Büste aus der Parteizentrale entwendet hatten. Am Wochenende war dann der letzte Versuch einer politischen Lösung gescheitert. Die Bewohner hatten zwar drei Ersatz-Angebote vom Liegenschaftsfonds, doch nach eigenen Angaben zu wenig Zeit, diese zu prüfen. Zudem habe das Land zu zwei der drei Objekte keinen Kaufpreis genannt, sagte die Sprecherin.

Nach dem Scheitern am Freitag stand der Räumungstermin fest: Montag, 5 Uhr. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), bedauerte gestern, „dass die nicht zueinander gefunden haben“. Im Laufe des Montags gab es an vielen Orten der Stadt spontane Proteste und Straßenblockaden von Sympathisanten. Schon in der Nacht zu Montag waren bei zwei Kreuzberger Autohäusern und der PDS-Parteizentrale Scheiben eingeworfen worden. Dort hinterließ man die Parole: „Rache für die Yorck“. Die Bewohner der Yorckstraße 59 wussten gestern nicht, wie es weitergeht. Die 60 echten Bewohner zögen jetzt zu Freunden.

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