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FÜNF  MINUTEN  STADT: Elefanten

Montagmorgen in Moabit, U-Bahn-Haltestelle Turmstraße. Die Tür der U9 öffnet sich und ein älterer Mann, lichtes Haar, hängende Mundwinkel, betritt den Waggon.

Montagmorgen in Moabit, U-Bahn-Haltestelle Turmstraße. Die Tür der U9 öffnet sich und ein älterer Mann, lichtes Haar, hängende Mundwinkel, betritt den Waggon. Ob er auf dem Behindertenplatz sitzen dürfe, fragt er nuschelnd den Mann mit dem Koffer. „Nein“, sagt der. „Zeig erst mal deinen Ausweis.“ Der Zug fährt an, der Behinderte klammert sich an die Haltestange. „Bitte nehmen Sie meinen Platz!“, sagt die Frau neben dem Koffermann und steht auf. Der Behinderte setzt sich und lächelt den Koffermann an, der jetzt angestrengt aus dem Fenster schaut. Eine Station Gnadenfrist, dann die Eröffnung: „Fast vergessen“, sagt der Behinderte, jetzt in Plauderlaune, und rückt ein Stück näher. „Hier, mein Ausweis!“ Ob der Koffermann denn wisse, an wie vielen Orten so ein Ausweis nützlich sei? Ermäßigter Eintritt in Museen, Theatern, Bädern. Nicht zu vergessen die Parkplätze vorm Supermarkt – obwohl er selbst gar kein Auto habe. Am schönsten aber: Wie leicht man mit anderen Menschen ins Gespräch käme! Bahnhof Zoo, der Koffermann steht auf. „Sie müssen raus? Warten Sie, dann können wir ja gemeinsam gehen“, sagt der Behinderte, und wie gern er im Zoo sei und dass ihm die Elefanten am besten gefielen und ob der Koffermann nicht Lust hätte, gemeinsam mit ihm einen kleinen Ausflug zu unternehmen, jetzt gleich? „Ich lade Sie ein“, sagt er, mit seinem Ausweis bekomme er Rabatt. „Und mein Begleiter auch. Interesse?“Tiemo Rink

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