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Fünf Minuten Stadt: Love, love, love

Liebe hoch drei: Große Gefühle fahren S-Bahn.

Von Maris Hubschmid

Donnerstagabend in der Ringbahn 42. Ein Junge, schlaksig, höchstens 14, telefoniert. „Mathe lief gut, bis auf eine Aufgabe, aber das hatten wir gar nicht.“ Sein Haar ist akkurat geschnitten, die Füße, dem Rest schon vorausgewachsen, stecken in nagelneuen Turnschuhen. Alles an ihm riecht nach Geborgenheit. „Kannst du heute Abend Lasagne machen, Mama?“, fragt er. Kurz darauf beendet er das Gespräch, wählt neu, redet wieder. Mathe. Hausaufgaben. Kino am Freitag. Und plötzlich, als der Zug kurz auf der Strecke hält, in einen Moment vollkommener Stille hinein: „Ich liebe dich auch.“ Diese Worte, aus solchem Kindermund – viele Fahrgäste schmunzeln. Da steigt am Bahnhof Neukölln eine Mädchengruppe zu, aufgetakelt, aufgeregt, um die 16. „Hört euch an, wie gemein er ist“, ruft eine Lange mit bauchfreiem Glitzerpulli in entrüstetem Ton über die Köpfe sitzender Mitreisender hinweg ihren Freundinnen zu. Liest von ihrem Smartphone ab: „Er so: Ich liebe dich. Darauf ich: Ich liebe dich mehr. Und er: Nein, ich liebe dich mehr. Also ich wieder: Nein, ich liebe dich mehr. Und er einfach: na gut!“ Sie blickt auf. „Was für ein Arschloch!“ Frankfurter Allee, raus aus der S-Bahn, die Treppen hinunter zum Ausgang. Vor einem Imbiss steht ein junger Mann, vielleicht 18, 19, Sporthose, Lederjacke, Handy am Ohr. Spuckt auf den Boden, spricht in sein Telefon: „Ich kann dir nichts versprechen, Baby. Du bist süß. Aber ich bin zu oft enttäuscht worden.“

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