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FÜNF  MINUTEN  STADT: Reiseaschenbecher

Freitagabend. Am Anhalter Bahnhof.

Freitagabend. Am Anhalter Bahnhof. Bushaltestelle. M 41 kommt sofort, sagt die blinkende Anzeigetafel. M 41 müsste längst gekommen sein, sagt die immer noch blinkende Anzeigetafel eine Minute später. M 41 kommt noch lange nicht, sagt der Blick die Stresemannstraße hinunter. Also Kippe. Plötzlich steht sie da. Blond, ein wenig zerzaust, mit Trekking-Rucksack und Lederboots. Typ: Abiturientin, nicht aus Berlin, aber anschlussfähig. Fragt: „Fährt hier der Bus zum Hauptbahnhof?“ Bekommt die unvermeidliche Antwort: „Wenn er fährt, dann hier. “ Sie lacht, läuft vor zum Fahrplan, kommt zurück. „War der, der vor drei Minuten hier sein sollte, schon da?“ Sie wird ausgelacht, fragt dann: „Bin ich schneller, wenn ich laufe?“ – „Hmmmnööödasauchnicht.“ – „Ach so!“ Darauf folgt: Stille, schicksalsergeben. Nach zwei Minuten: Ankunft M 41. Kein Aschenbecher weit und breit. Also Kippe auf den Boden. Die Blonde sieht’s, lacht, droht mit dem Finger. Sagt im Einsteigen: „Du, ich schenk dir meinen Reiseaschenbecher. Den hab ich immer dabei, am Strand, in den Bergen, überall.“ Sie überreicht eine Filmdose, verschwindet dann im hinteren Teil des Busses. Das „Wow, danke, den benutze ich jetzt immer“ kontert sie über die Schulter mit „Versprich nichts, was du nicht halten kannst“. Es bleiben zurück: 1. Die Dose. 2.Die drei Stummel und der Grasgeruch darin. 3. Etwas Fern- und Sommerweh. 4. Einer, der sich so stets erziehen lassen würde. Johannes Schneider

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