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FÜNF  MINUTEN  STADT: Schönes Wochenende

Neukölln, Abenddämmerung. Am Hermannplatz riecht es nach nassem Hund und Laub.

Neukölln, Abenddämmerung. Am Hermannplatz riecht es nach nassem Hund und Laub. Vorm Kaufhaus steht ein Bettler, krumm, wie umgepustet. Offenbar ist etwas mit seinem Fuß, eine Entzündung an der Sohle vielleicht, eine Verwachsung, ein Sporn. Der Bettler lächelt. Er lächelt wie ein Verlierer und merkt es nicht mehr. Ein Passant eilt vorbei, jung und schnell, im schicken Mantel, vielleicht muss er noch etwas fürs Wochenende besorgen. Der Bettler richtet sich auf, beginnt zu wanken, tanzt auf dem Schmerz in seinem Fuß. Er schaukelt wie ein Spielzeug, ein Stehaufmännchen, wenn er fällt und sich fängt und wieder fällt, dem Passanten entgegen. „Haben Sie ein bisschen Kleingeld über?“ Der Passant erschrickt, wie gekitzelt, wie gezwickt schert er zur Seite aus, hüpft beinahe vom Gehweg rüber auf den Radweg. Der Bettler klappert mit seinem Pappbecher, in dem zwei, drei Münzen liegen. Sind in seiner alten, speckigen Jacke noch ein paar mehr? Hört der Passant ihn noch? „Schönes Wochenende!“, ruft ihm der Bettler nach. Auch der Passant lächelt jetzt wie ein Verlierer. Lächelnd betritt er das Kaufhaus. Es ist gleich acht.Dirk Gieselmann

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