zum Hauptinhalt

Berlin: Fünf Sterne und Honeckers Orgel

Heute vor 20 Jahren öffnete das Westin Grand Hotel in der Friedrichstraße. Damals war es ein Politikum

Es war wohl das teuerste Geburtstagsgeschenk, was im Ostteil Berlins zum 750. Stadtjubiläum übergeben wurde: Heute vor zwanzig Jahren öffnete das Grand Hotel an der Friedrichstraße. Geschätzte 200 Millionen Westmark soll die DDR für das Fünf-Sterne-Haus locker gemacht haben, und das bei chronischem Devisenmangel. Groß gefeiert wurde das neue Haus nicht, das heute Westin Grand heißt und sich auf 35 000 Quadratmetern von der Behrenstraße über die Friedrichstraße bis zum Boulevard Unter den Linden erstreckt.

Vielleicht steckte das schlechte Gewissen der DDR-Oberen dahinter, denn das Haus mit 359 Zimmern und dem für Ost-Berliner Verhältnisse unerhörtem Luxus war nicht für die Erbauer des Sozialismus gedacht, sondern für die Gäste aus dem Kapitalistmus, die hier mit harter Währung zahlen mussten – was ein Politikum war. Ein Teil der Hotel-Gastronomie war mit Ost-Mark auch den DDR- Bürgern zugänglich. Die mussten allerdings Beziehung und Geduld haben und wochenlang vorher reservieren, wenn sie dort schlemmen wollten. Und bisschen mehr als im Osten üblich auch Geld haben, wollten sie es sich bei DDR-Wein „Referenz“ für 40 Mark und einem Hauptgericht wie „Die besten Stücke von der Gans“ für 38,80 Mark gut gehen lassen.

Der Tagesspiegel-Restaurantkritikerin war im Dezember 1988 ihr kulinarischer Ausflug auf die von Japanern und Schweden gebauten Luxus-Insel höchstes Lob (und zu offiziellem DDR-Kurs eins zu eins getauschte) 156,95 Mark wert. Ob es den netten Ober noch gibt, der ihr damals nacheilte und ihr mit der Bemerkung: „Nu vergessen Sie aber nicht ihr Bliemchen“, eine rosa Margerite in die Hand drückte, muss hier offen bleiben. Möglich ist es, denn in der Fünf-Sterne- Herberge hält sich das Personal.Von den insgesamt 160 Mitarbeitern, die heute Nachmittag zum Gruppenfoto auf die große Freitreppe gebeten werden solen, die sich aus dem Erdgeschoss filmkulissengleich elegant nach oben schwingt, arbeitet fast ein Drittel seit mehr als 15 Jahren im Westin Grand. Der 58-jährige Reinhard Vogler ist sogar seit der ersten Stunde dabei. Von Magdeburg aus hatte sich der damalige Brandschutzinspektor für das neue Haus in Ost-Berlin beworben, in dem er seither als Sicherheitsbeauftragter nach dem Rechten, sprich, Brand-, Gesundheits- und Arbeitsschutz sieht. Wann im Eröffnungsjahr auch mal Erich Honecker und seine Genossen die Ehre gaben, weiß er nicht mehr so genau. Aber da waren sie jedenfalls, vermutlich schon im Juni.

An das japanische Kaiserpaar erinnert sich Vogler dagegen noch ganz genau. Für deren Sicherheit ließ er 1999 in der Präsidentensuite kugelsicheres Glas einbauen. Und musste er persönlich nach der allerhöchsten Japanerin fahnden – war dem „Tenno“ doch die Frau abhanden gekommen. Vogler fand sie schöießlich beim gemütlichen Bummelt durch die Hotelboutiquen.

Überhaupt scheint das Hotel hoch im Kurs bei den Größen aus Politik, Kultur und Wirtschaft zu stehen. So stiegen bereits Mitterand, Putin, Chirac, Gorbatschow, Jelzin und Königin Nur von Jordanien hier ab. „Die bringen alle ihre Leute mit“, sagt Vogler. Ellenlang ist die Liste der Berühmtheiten, die er in „seinem Hotel“ erlebt hat – von Diego Maradonna ließ er sich sogar ein Autogramm geben. Zur WM war der einstige Fußballstar mehre Tage zu Gast in der Friedrichstraße, wie auch die argentinische National-Elf vor dem Viertelfinalspiel.

Ob alle Gäste der Suiten, die nach Schinkel, Goethe, Fontane oder Bach heißen, die Schätze des Hauses kennen lernen, ist dabei fraglich. Im Sommer empfiehlt sich das Westin mit einem der schönsten Berliner Dachgärten. Im Winter ist ein Konzert im Jagdzimmer ein Erlebnis, beherbergt es doch die einzige Hotelorgel Europas. Honecker selbst hat sie 1987 beim damaligen VEB Jehmlich Orgelbau Dresden in Auftrag gegeben. Mit der massiven Holzorgel mit Eichenblattschnitzereien und Registerknöpfen, die Waldtiere darstellen – sogar einen Vogelschrei gibt es – wollte er Top-Regierungsgästen imponieren.

Imponierend ist auch das sogenannte Oktogon – in der lichtdurchfluteten Hotelhalle schweift der Blick über sechs säulengetragene Etagen in die farbige Glaskuppel in 30 Metern Höhe. So, wie es einst ähnlich in der ehemaligen Kaiserpassage war, die 1873 an gleicher Stelle in der Friedrichstraße eröffnet wurde. An das Entrée der 1943 bei einem Luftangriff zerstörten Luxus-Einkaufspassage erinnert bis heute der Eingang des Hotels an Friedrich- Ecke Behrenstraße.

Heidemarie Mazuhn

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false