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Fünfzig Menschen missachten Regeln: Beamte ziehen Dienstwaffen – Corona-Kontrolle in Berlin eskaliert

Vor zwei Wochen kontrollieren Polizisten eine große Menschengruppe im Lichtenberger Fennpfuhlpark. Jetzt ist ein Video des eskalierten Einsatzes aufgetaucht.

Die Kulisse gleicht der einer Barbecue-Party. Im Hintergrund qualmt ein Grill, der Picknicktisch ist reich gedeckt mit Papptellern, Getränken und Süßigkeiten. In der Mitte des Tisches steht ein Strauß Blumen.

Mehrere Dutzend Personen wollten sich im Lichtenberger Fennpfuhlpark offenbar einen gemütlichen Nachmittag machen, ließen dabei aber die Regeln der aktuellen Corona-Eindämmungsverordnung völlig außer Acht. Das zeigt ein Video der Situation, das vor zwei Tagen auf Instagram gepostet wurde. 

Etwa 50 Frauen, Männer und Kinder seien am 23. März in dem Park von Einsatzkräften festgestellt worden, wie die Pressestelle der Berliner Polizei mitteilt. Abstandsregeln und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sei von der Personengruppe ignoriert worden. 

Nach Angaben der Polizei sei ein Großteil der Gruppe ausgesprochenen Platzverweisen nicht nachgekommen und hätte sich stattdessen “aggressiv” vor den Beamten aufgebaut. Vor allem ein 36-jähriger Mann sei in dieser Situation besonders hervorgetreten, da er mehrmals mit seinen Gehhilfen in die Richtung eines Polizisten geschlagen haben soll.

Bei der anschließenden Festnahme des Angreifers soll dieser weiterhin erheblichen Widerstand geleistet haben, wie aus der Pressemitteilung der Berliner Polizei hervorgeht. Infolgedessen wehrten sich Einsatzkräfte mit Pfefferspray und zogen ihre Dienstwaffen. 

Eine Funkstreife im Einsatz.
Funkstreife im Einsatz.

© dpa

Durch hinzugerufene Kräfte konnte sich die Situation offenbar beruhigen. Der Mann mit den Gehhilfen wurde festgenommen und zwecks einer richterlich angeordneten Blutentnahme in ein Krankenhaus gebracht, was er am selben Tag wieder verlassen konnte.

Zwei angegriffene Polizeibeamte wurden ambulant im Krankenhaus versorgt und beendeten danach ihren Dienst. Gegen weitere Beteiligte der Situation wurden Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Gefangenenbefreiung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung angefertigt. Ein Beteiligter erstatte offenbar darüber hinaus eine Anzeige gegen einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt.  

Ein Video zeigt den eskalierten Einsatz

Die Eskalation der Szenerie ist in dem Instagram-Video festgehalten. Die Stimmung ist aufgeheizt, offenbar gibt es zusätzlich Kommunikationsprobleme zwischen den Beteiligten und den Beamten. Nicht alle im Video zu sehenden Personen scheinen der deutschen Sprache mächtig zu sein. 

Vor allem die Festnahme des Mannes mit den Gehhilfen ist im Clip gut zu erkennen. Nachdem ein Polizist wiederholt Pfefferspray gegen den Mann einsetzt, versucht dieser offenbar auf den Beamten loszugehen, als er von einem anderen Polizisten niedergerungen wird. Kurz darauf ziehen zwei Polizisten ihre Schusswaffen. Einer geht mit gezogener Waffe auf den Filmenden los und schreit “Telefon runter”. Dieser weicht zurück und ruft immer wieder “Advocat”, was in mehreren slawischen Sprachen “Anwalt” bedeutet.  

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Der Berliner Polizei ist das nachtäglich gepostete Video bekannt. Vor allem das Ziehen der Schusswaffe werde nun auf seine Verhältnismäßigkeit geprüft. Deswegen wurde der Clip an das zuständige Landeskriminalamt weitergeleitet, wie eine Polizeisprecherin dem Tagesspiegel sagte. Sollte sich herausstellen, dass das polizeiliche Vorgehen unverhältnismäßig war, werde man laut der Sprecherin intern Ermittlungen aufnehmen.

Schreiber: “Das ist nicht mehr verhältnismäßig”

Der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber bezeichnet den im Video gezeigten Einsatz als “aus dem Ruder gelaufen”. Dem Tagesspiegel sagte Schreiber: “Für Außenstehende sieht die Situation aus, als wäre die Polizei überfordert gewesen. Es kann nicht sein, dass ein Beamter in Wildwest-Manier mit seiner Pistole herumfuchtelt. Das ist nicht mehr verhältnismäßig.”

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Die Pressemitteilung der Polizei zu dem Einsatz kritisiert der Innenexperte als “dürftig”. Schreiber drängt auf ein verpflichtendes Verhaltenstraining der Beamten, um Situationen wie die im Fennpfuhlpark im Nachgang aufzuarbeiten. 

Gleichzeitig zieht der Politiker Parallelen zu einer gemeinsamen Kontrolle von Polizei und Ordnungsamt im Bötzowviertel in Prenzlauer Berg, die ebenfalls eskalierte.

Auch in Lichtenberg waren Mitarbeiter des Ordnungsamtes an der Kontrolle beteiligt. In einer Situation sieht man einen Bezirks-Mitarbeiter dabei, wie er den später festgenommenen Mann mit den Gehhilfen von hinten festhält. Das dürfte das Ordnungsamt gar nicht, sagt Schreiber: “Ich halte diese gemeinsamen Streifen für gefährlich. Am Ende spielen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes Hilfsheriff oder stehen den Polizeibeamten im Weg.”

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