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Berlin: Für Fußgänger bleibt Berlin ein gefährliches Pflaster Senat hat ein Konzept für sichere Wege erarbeitet

Nach zwei Jahren liegt jetzt ein erster Entwurf vor

Sechs Autospuren, aber keine Ampel: Das alte Ehepaar, das am Freitagabend die Frankfurter Allee überqueren wollte, wurde frontal von einem Sattelschlepper erfasst. Der 76-Jährige war sofort tot, seine ein Jahr jüngere Ehefrau rang noch gestern in einer Klinik mit dem Tod. Ihr wurden bei dem Unglück beide Beine abgetrennt. Ein besonders grausamer Fall von vielen: Von 40 Berliner Verkehrstoten in diesem Jahr waren 21 Fußgänger – davon mehr als die Hälfte älter als 65 Jahre. Auch in diesem Jahr bestätigt sich die Einstufung der Berliner Polizei: Fußgänger, und unter ihnen besonders die alten Menschen, gelten als Risikogruppe.

Wie es zu dem Unfall am Freitagabend genau kam, ist unklar. Die Ermittler der Verkehrspolizei suchen dringend Zeugen. Die Straße war im abendlichen Berufsverkehr stark befahren. Möglicherweise war das Ehepaar zwischen im Stau stehenden Autos auf die Straße gelaufen, ohne zu bemerken, dass auf den anderen Fahrbahnen der Verkehr noch floss. Der Fahrer des Kieslasters hatte den Unfall gar nicht bemerkt und war weiter gefahren, er wurde erst 500 Meter weiter von der Polizei gestoppt.

Zur nächsten Ampel sind es in beide Richtungen 100 Meter. Am Unfallort, an der Ecke Kinzigstraße, finden Fußgänger keine Hilfe beim Überqueren der Straße, es gibt weder Ampel noch Zebrastreifen. Dabei haben die Planer erkannt, dass hier, direkt an den U-Bahn-Ausgängen, viele Menschen über die Straße wollen. Denn der ansonsten begrünte Mittelstreifen ist an dieser Stelle gepflastert.

Die Verkehrsverwaltung will die Situation von Fußgängern eigentlich längst verbessern. Noch im Januar soll im Senat ein neues Verkehrskonzept für Fußgänger verabschiedet werden. Es wurde in den vergangenen beiden Jahren von einem privaten Planungsbüro erarbeitet. Vorbild ist die ältere und sehr erfolgreiche Radverkehrsstrategie. Die Planer analysierten typische Gefahrenstellen und entwickelten mehrere Modellprojekte. Drei Kreuzungen sollen testweise fußgängerfreundliche Ampeln erhalten. Derzeit springt das grüne Licht für Fußgänger auch an stark befahrenen Straßen schon nach sechs Sekunden wieder auf Rot. Das ist das gesetzliche Limit. Das reicht für ältere Menschen nicht einmal, um die halbe Straße zu überqueren. Sie werden auf halber Strecke von abbiegenden Autos bedrängt. Denn die denken, der Passant sei bei Rotlicht losgelaufen.

Die Planer berechnen alle Ampelphasen mit einem Fußgängertempo von 1,2 Metern pro Sekunde und lassen dabei außer Acht, dass alte Menschen nicht mehr so schnell sind. Diskutiert wird derzeit in der Verkehrsverwaltung, die Vorgabe auf 1,0 oder sogar 0,8 Meter pro Sekunde zu senken. Doch eine längere Grünphase für Fußgänger hat auch Folgen für Autofahrer: Der Verkehr verlangsamt sich. Ein Tabu ist das in Berlin nicht mehr: Schon vor zwei Jahren hatte die Staatssekretärin der Verkehrsverwaltung, Maria Krautzberger, eine „Umverteilung der Flächen zulasten der Autofahrer“ angekündigt. Mittlerweile werden in Berlin 30 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt, der Anteil des Autoverkehrs ist auf 31 Prozent gesunken.

Kreuzungen etwa sollen sicherer werden, indem Trottoirs in die Fahrbahn hinein ausgebaut werden. Das hält vor allem Falschparker ab und Passanten müssen weniger Straße überqueren. Auch die Zahl der Zebrastreifen soll steigen. Eine „Kommunikationskampagne“ möchte Konflikte zwischen Fußgängern und Radlern entschärfen. Dennoch: Im Jahr 2008 gab es nur 487 Zusammenstöße zwischen Radlern und Fußgängern – getötet werden Passanten nur von Autos.

Bis 2020, so das Ziel des Fußverkehrsplans, soll Berlin sicherer und barrierefrei sein. An allen Kreuzungen und Einmündungen sollen die Bordsteine abgesenkt werden, damit Ältere und Behinderte die Straße leichter überqueren können. Bis zum Jahr 2020 stehen jährlich zwei Millionen Euro für diese Projekte zur Verfügung. Wie die Frankfurter Allee sicherer werden soll, ist nicht bekannt.

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