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Berlin: Für Tickets tu ich alles

Bei der WM ist die Begeisterung der Fans ebenso wichtig wie die Spielfreude der Mannschaften Ein deutsch-amerikanisches Team dreht nun einen Film über zehn Menschen, denen ein Leben ohne Fußball undenkbar wäre

Was tut ein richtiger Fan, um WM-Tickets zu bekommen? Uwe Bindel tut fast alles. Der 42-jährige Berliner lässt kein noch so albernes Gewinnspiel aus. Für einen Radiosender ging er im Argentinien-Trikot baden. Bei einem anderen WM-Wettbewerb sammelte er tausende Unterschriften und unterlag nur, weil er im Gedränge einen Stapel verlor. Beim Achtelfinale hatte er Glück. Dass er beim Sieg gegen Schweden dabei sein konnte, war ein ganz großer Tag für den Lichtenberger, der beim Tiefbauamt für die WM seinen Jahresurlaub genommen hat.

Seine Begeisterung sichert Bindel eine Starrolle in einem Dokumentarfilm über Fußballfans, den ein deutsch-amerikanisches Team während der WM in Berlin dreht. Arbeitstitel: Fan-Demanium. „Sportfans sind oft genauso faszinierend und unterhaltsam wie die Sportler selbst“, sagt Michelle Sy, Produzentin aus Los Angeles. Die Begeisterung von Fans wie Bindel soll sich auf Kino- und Fernsehzuschauer übertragen. Die Hollywood-Agentur ICM sorgt für weltweite Verbreitung.

„Wir begleiten zehn Fans aus zehn Teilnehmerländern durch das Turnier“, sagt der deutsche Regisseur Matthias Visser, der das Filmemachen in den USA lernte. „Wir erleben ihren Stolz, ihre Leidenschaft, ihre Freude und ihre Trauer, wenn ihr Team ausscheidet.“ Der angolanische Fan Mario Jorge musste sich als einer der ersten verabschieden, da sein Team die Vorrunde nicht überstand. „Er fieberte vor allem beim Spiel gegen Portugal mit“, sagt Visser. „Leider gab es für ihn am Ende keinen Grund zum Jubeln.“

Im Stadion treten die Fans als Masse auf, der Film zeigt sie als Menschen, die alle einen eigenen Zugang zu dem Ereignis haben, das wie kein anderes Menschen aus aller Welt fasziniert. Einige sind das erste Mal in Deutschland, andere leben hier seit Jahren und stehen dadurch vor einem Dilemma: „Ich bin froh, dass Deutschland und England nicht aufeinander getroffen sind“, sagt Helen Heise. Die englische Mutter ist mit einem Berliner verheiratet, der Deutschland die Daumen drückt. Gerade weil sie hier lebt, unterstützt sie das englische Team: „Wenn beide aufeinander getroffen wären, wäre der Familienfrieden in Gefahr geraten.“

Für einige Fans bedeutet die WM auch einen Job. Der brasilianische Trommler aus Schöneberg, den alle nur Dada nennen, führt seine Band Furiosa seit Jahren über den Karneval der Kulturen. Jetzt war er bei Brasilien-Spielen in der Kulturbrauerei angeheuert worden. Der Italiener Marino Ridolfi betreut die Mannschaften beim Streetfootball-Turnier. „Es ist schön, wie Fußball die Menschen aus so vielen Ländern und Kulturen zusammenbringt“, sagt er. „Besonders, wenn Italien am Ende gewinnt.“

Unübertroffen in seiner Leidenschaft ist Uwe Bindel. Um das Geld für ein Finalticket zusammenzubringen, will er vielleicht sogar sein schwarz-rot-gold dekoriertes Fan-Automobil versteigern, mit dem er bei jedem Autokorso dabei war. Als Dreingabe gibt es den 1,80 Meter großen Weltpokal, den er im Keller nachgebastelt hat, und signierte Deutschland-Trikots vergangener Weltmeisterschaften. Er erinnert sich noch genau, wie aufgeregt er als Junge die WM 74 verfolgte. „Seitdem habe ich 32 Jahre auf die Chance gewartet, bei einem Finale in Deutschland dabei zu sein. Das kann ich mir doch jetzt nicht entgehen lassen.“

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