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Berlin: Fürs Leben streiken

Schüler des Claudel-Gymnasiums solidarisierten sich für einen Tag mit dem Protest der Studenten

So sieht der professionelle Streikführer aus: rotes Megaphon, weiße Armbinde, langer Mantel. Martin Ladach ist 19 Jahre alt und Schulsprecher am Camille-Claudel- Gymnasium. Morgens, beim Eintreffen der Schüler, hat er sich mit dem Megaphon auf den Schulhof gestellt und gefragt, wer für einen Streik ist. Die Vollversammlung der Schüler, so drückt Martin das aus, habe sich dann mit überwältigender Mehrheit dafür ausgesprochen, solidarisch mit den Studenten zu sein.

Martins Gymnasium in Prenzlauer Berg mit seinen mehr als 600 Schülern war gestern die erste Berliner Schule im Streik. Für die Studenten und gegen die Kürzungen an den Unis, die ja besonders die „Studenten von morgen, also die Schüler von heute, betreffen“, wie Martin sagt. Der Streik war auf einen Tag befristet – vorerst. Die Schulleitung war schon so sauer genug und wollte sich zu der Aktion nicht äußern. An der Fassade hingen Bettlaken mit Streikparolen, am Schultor standen Streikposten, die Mitschüler vom unpolitischen Sich-nach- Hause-Verdrücken abhalten sollten. Drinnen saßen sie in Workshops über die Schulsysteme anderer Länder, die Geschichte der Studentenbewegung oder demokratisches Handeln. Denn dass Streik etwas Konstruktives ist, auch das haben sich die Schüler von den Studenten abgeguckt.

Halb elf. In einem kleinen Kabuff debattieren 15 Schüler über das Berliner Schulgesetz und das Mitspracherecht, das es ihnen einräumt. Mündige Bürger sollen sie werden, steht da, und kritische dazu. Vertrauenslehrer Müller hat den Gesetzestext mitgebracht, den kenne kaum einer, sagt er. Auch die 15 Streikenden nicht. Umso empörter sind sie, dass viele Lehrer sie von oben herab behandeln, wie Kinder eben. „Wie sollen wir für unsere Lehrer Respekt aufbringen, wenn sie uns nicht respektieren?“ fragt Katharina. Müller attestiert einigen Kollegen „eine furchtbare Hilflosigkeit, weil sie kritische Fragen der Schüler mit Autorität deckeln wollen“.

Vielleicht ist es der Lehrplan, womöglich aber auch dieselbe Hilflosigkeit, die ein paar Lehrer dazu bringt, ihren Unterricht trotz Streiks durchzuziehen. Und sogar Klassenarbeiten zu schreiben. Andere aber lassen sich wie Müller für Workshops einspannen. Ein paar echte Studenten haben Martin und seine Mitorganisatoren auch aufgetrieben: Claudia und Kathrin erzählen vom „echten“ Streik, den katastrophalen Studienbedingungen mit teilweise 130 Studenten im Seminar und den drohenden Kürzungen. „Mich würden Studienkonten nicht mehr betreffen“, sagt Kathrin, die im sechsten Semester Biologie und Geschichte studiert. „Aber diejenigen, die hier sitzen, schon.“

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