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Fußball-EM: Abgeordnete reden schneller - wegen der EM

Ab jetzt regiert nicht mehr Rot-Rot, sondern der Fußball. In Berlin haben Politik und Wirtschaft begonnen, die Terminkalender dezent auf die Anpfiffzeiten bei der Europameisterschaft umzustellen.

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Die Konzertveranstalter hoffen, dass sich der Kampf von Ballack & Co. um den EM-Pokal nicht dämpfend auf den Ticketverkauf auswirkt. So wie bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren.

Schon am Donnerstag, wenn Deutschland gegen Kroatien spielt, sind die Berliner Abgeordneten in der Klemme. Ab 13 Uhr ist Plenarsitzung und die dauert, das wurde überschlägig ausgerechnet, bei normalem Verlauf bis 21 Uhr. Dann wäre das Spiel vorbei. Also sucht man nach einem Ausweg: Früher anfangen, vorzeitig abbrechen? Das geht nicht. Das widerspricht der Bedeutung und Würde des Hohen Hauses. „Aber wenn alle Beteiligten sich selbst disziplinieren, könnte es klappen“, sagt der fußballbegeisterte Parlamentspräsident Walter Momper (SPD). „Ja, wir könnten die Tagesordnung straffen und gegen 18.30 Uhr fertig werden“, bestätigt der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler.

Sonst könnte es wieder so kommen wie bei der Handball-WM 2007, als vor einem kleinen Monitor in der Wandelhalle eine große Traube von Abgeordneten den Sieg gegen Frankreich im Halbfinale feierte und die Redner im Saal wenig Beachtung fanden. „Wir werden uns also Mühe geben, die Plenarsitzung auf ordnungsgemäße Weise einzudampfen“, sagte auch der CDU-Fraktionsgeschäftsführer Uwe Goetze gestern.

Sollten sich aber einige Parlamentarier am Rednerpult verplaudern, könnte der große Fernsehbildschirm im Kasino die Situation retten. Der ist zwar so eingestellt, dass er nur den Plenarsaal und die Redner zeigt, aber das Programm ließe sich fußballgerecht wechseln. Am Dienstag wollen die Fraktionen die Terminkollision zwischen Politik und grünem Rasen in ihrer Geschäftsführer-Runde abschließend besprechen.

Die Berliner Wirtschaft hat ihre Veranstaltungen in weiser Voraussicht auf die EM geplant. So wurde die IHK-Vollversammlung auf einen fußballfreien Tag gelegt. Und am 16. Juni, wenn um 20.45 Uhr Deutschland gegen Österreich spielt, findet zwar um 17 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz zum Thema Mindestlohn statt, zudem ein Empfang zum zehnjährigen Jubiläum des IHK-Sitzes in der Fasanenstraße. Rechtzeitig zum Anstoß will man aber fertig sein. „Highlight“ des Abends sei dann das Public Viewing im Foyer, mit Großbildleinwand, Fassbier und Häppchen, sagt IHK-Sprecher Holger Lunau. Der Minister ist eingeladen.

Auf den Verkauf von Konzertkarten und anderen Tickets scheint die EM bisher keine Auswirkungen zu haben. Zwar erinnert man sich, etwa bei ticketline-berlin.de, an die Fußball-WM 2006, als der Kartenverkauf um geschätzte 20 Prozent zurückging, „weil die Leute zur Fanmeile fuhren oder im Straßencafé Fußball schauten“. Bisher laufen die Verkäufe aber gut. „Es gab eine Stornierung, weil Deutschland spielt“, heißt es bei der Konzertkasse KOKA 36 in Kreuzberg. Der Ticket-Riese CTS Eventim verzeichnet bundesweit „ausgesprochen erfreuliche Ticketabsätze“, so ein Sprecher. Insbesondere Festivalkarten gingen weg „wie geschnitten Brot“. Die EM sei einfach „keine so große Sache wie 2006“.

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