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Fußballfest am Brandenburger Tor. Ob es in diesem Jahr eine Neuauflage gibt, ist ungewiss. Foto: dpa

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Fußball-Europameisterschaft: Dieses Jahr keine Fanmeile in Berlin?

Die Fanmeile zur Fußball-Europameisterschaft 2012 steht wegen Verkehrs- und Sicherheitsproblemen auf der Kippe. Ein Pro und Contra.

In 109 Tagen beginnt die Endrunde der 14. Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Ob Fußballanhänger aus Berlin und Umgebung dann wie in früheren Jahren wieder auf einer Fanmeile am Brandenburger Tor mit ihrem Team mitfiebern können, ist knapp vier Monate vor dem Anpfiff allerdings noch unklar. Denn es gibt im Juni mehrere Großveranstaltungen auf der Straße des 17. Juni und drumherum, die sich zeitlich und räumlich überschneiden – ein nicht akzeptables Sicherheitsrisiko, befand kürzlich der Bezirk Mitte. Jetzt verhandeln dessen Ordnungsstadtrat Carsten Spallek und Vertreter von Feuerwehr und Polizei mit den Veranstaltern der privat organisierten Fanmeile, der Modemesse Fashion Week und der mit einem Straßenfest verbundenen Homosexuellen-Demonstration Christopher Street Day, ob und wie man mit Kompromissen die Sicherheit der Besucher trotz der Überschneidungen gewährleisten kann.

Hinter den Gesprächen steht die Drohung von Stadtrat Spallek: „Sollten wir mit den Veranstaltern keine einvernehmliche Lösung für die Sicherheitsprobleme finden, werden eine oder mehrere Veranstaltungen nicht wie geplant stattfinden können.“ Betroffen ist davon die Fanmeile, die zwischen 8. Juni und 1. Juli Fußballfans zum Schauen der aus deutscher Sicht spannenden EM-Spiele einladen soll. Das dürften voraussichtlich nur eine Handvoll Begegnungen sein – aber die Aufbauten könnten während der drei Wochen die Straße versperren.

Dagegen gibt es Widerstand – nicht nur im Bezirksamt, sondern auch bei der Autofahrerlobby. „Wir haben in diesem Jahr in der östlichen City wegen des Ausbaus der U-Bahnlinie 5 bereits eine extreme Baustellensituation mit weitreichenden Einschränkungen“, sagt der ADAC-Verkehrsexperte Jörg Becker. Er appelliert an die Verantwortlichen, „weitere Einschränkungen ungewohnten Ausmaßes nicht zuzulassen“.

Mehrere Politiker wie der CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici plädieren für eine abgespeckte Ausgabe der Fanmeile. Er schlägt vor, das Straßenfest lediglich bei zentralen Spielen wie dem Endspiel oder dem Halbfinale zu veranstalten. „Die Fanmeile war in den vergangenen Jahren überkandidelt“, findet auch Oliver Höfinghoff von der Piratenfraktion. Höfinghoff plädiert für eine „minimalinvasive“ Veranstaltung, die nur an einzelnen Tagen das Areal belegt.

EM-Gastgeber Polen: Stadien und Städte

Veranstaltungsmanager Willy Kausch, der auch in diesem Jahr die Fanmeile organisieren will, hat bei Gesprächen mit dem Bezirk Entgegenkommen signalisiert.  Sowohl die Dauer der Fanmeile als auch ihr Umfang seien verhandelbar. Er rechnet mit drei bis sechs Spieltagen für die deutsche Mannschaft. An diesen Tagen will er die Fanmeile öffnen, an den anderen will er Leinwände und Bauten zur Seite räumen lassen, so dass es denkbar wäre, die Straße des 17. Juni an jenen Tagen zumindest auf einer Fahrbahnseite für den Autoverkehr freizugeben.

Sollte die Fanmeile ausfallen, wäre das nicht nur aus Kauschs Sicht der Verlust einer für Berlin wirtschaftlich und touristisch wichtigen Veranstaltung. „Die Fanmeile steht für Berlins positives Image als Sportstadt“, sagt Christian Tänzler von der Tourismuswerbegesellschaft Visit Berlin. Allerdings erreichten die Zahlen in den vergangenen Jahren nicht mehr das Niveau von 2006. Damals waren an allen Spieltagen zusammen offiziell insgesamt

9,5 Millionen Besucher gezählt worden, sagt Tourismuswerber Tänzler. Vor zwei Jahren zählte Veranstalter Kausch an allen WM-Tagen dann nur noch zwei Millionen Menschen. Lars von Törne

PRO

Die Straße des 17. Juni ist die Feiermeile, um die uns alle Städte in Deutschland und wohl auch die meisten im Ausland beneiden. Erst kamen die Silvesterpartys und 2006, unvergessen, das Sommermärchen der Fußballweltmeisterschaft. Erst flimmerten die Bilder von diesem Spektakel um die Welt, und dann kam die ganze Welt zu Besuch. Der unglaubliche Erfolg Berlins als Touristenziel beruht zu einem guten Teil auf diesen Bildern. Nicht nur junge Leute fliegen auf und nach Berlin. Mit Geld hätten die Tourismuswerber sich dies nicht kaufen können. Vor 15 Jahren kamen drei Millionen Besucher an die Spree, mittlerweile sind es zehn Millionen. Und die lassen Milliarden Euro in der Stadt. Mit einer Silvesterfeier im Mauerpark oder einer Fanmeile in Gatow hätte Berlin dies nicht geschafft.

Die Sponsoren brauchen einfach die (Fernseh-)Bilder dieser Straße mit Siegessäule an einem Ende und Brandenburger Tor am anderen. Seit 25 Jahren läuft der Marathon über den 17. Juni, ein unglaublicher Erfolg. In diesem Jahr rasen zum fünften Mal 15 000 Rennradfahrer beim Velothon dort ins Ziel, ein Riesenerfolg. Die Straße ist wie geschaffen für die Fußballfanmeile; Autofahrer haben genug Straßen in Berlin. Jörn Hasselmann

CONTRA

Irgendwie scheint man in dieser Stadt zu glauben, für alles gebe es ein Gewohnheitsrecht. Nach dem Motto, was einmal gut war, muss es immer wieder aufs Neue geben. Genauso verhält es sich auch mit der Fanmeile auf der Straße des 17. Juni. Diese war wirklich bei ihrer Premiere im Sommer 2006 ein Knaller – ein tolles Erlebnis. Aber damals waren die Rahmenbedingungen andere. Die wichtigste: Die WM fand im eigenen Land statt – und das ganze Land schwelgte in diesem wunderschönen Sommer in einem Fußballrausch. Die WM wurde eben nicht nur in den Stadien, sondern auch auf den Straßen gelebt.

So eine Stimmung lässt sich nicht einfach wiederholen. Das zeigten die folgende Europameisterschaft und auch die WM vor zwei Jahren. Die Fanmeile war nur noch ein Abklatsch dessen, was sie beim Sommermärchen 2006 gewesen war. Ein Turnier in einem anderen Land ist eben doch etwas anderes. Deswegen ist auch nicht damit zu rechnen, dass die Fanmeile in diesem Jahr das große Top-Ereignis sein wird. Berlin braucht sie auch nicht; es gibt in der Stadt so viele großartige Möglichkeiten, gemeinsam Fußball zu sehen. Gönnen wir dem Tiergarten und der Straße des 17. Juni ein wenig Pause vom Feiern. Sigrid Kneist

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