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Christiane Görlitz und Klaus Kuhfeld vor ihrer Kneipe "Kugelblitz Destille".

© Doris Spiekermann-Klaas

Fußball in der Hertha-Kneipe: Pfeffi für 99 Cent, Fußball für 556 Euro

566 Euro müssen die Wirte der Kugelblitz Destille in Wedding an Sky für Fußballübertragungen zahlen. Damit liegen sie im unteren Mittelfeld. Das passt, denn es ist eine Hertha-Kneipe.

Aus finanzieller Sicht liegt die Kugelblitz Destille in Wedding irgendwo im unteren Mittelfeld: 566 Euro zahlen die Wirte hier monatlich an den Bezahlsender Sky und dürfen dafür die Fußballspiele zeigen. Die ganz kleinen Kneipen zahlen durchschnittlich 290 Euro, die richtig großen rund 1000. Jeden Monat. Dafür können sie ihren Gästen Bier verkaufen, Umsatz machen zu Tageszeiten, an denen sonst kaum jemand in Kneipen gehen würde. Aus sportlicher Sicht liegt die Kugelblitz Destille auch irgendwo im unteren Mittelfeld. Zu Recht. Ist eine Hertha-Kneipe.

Das sind die Rahmenbedingungen, 0,4 Liter Pils vom Fass für 2 Euro 30, Pfeffi für 99 Cent. Kleiner Witz, sagt Wirtin Christiane Görlitz, natürlich schiebt sie den fehlenden Cent über den Tresen, wenn jemand einen Euro gibt und aufs Restgeld wartet, aber wer tut so was schon. Berliner Eckkneipenhumor. 45 Plätze in der Kneipe, wenn die Hertha Heimspiel hat, ist die Hälfte der Destille-Gäste im Stadion, wenn die Hertha auswärts spielt, ist der Laden voll. Damit können sie hier rechnen, stabile Werte seit Jahren schon. Nicht so stabil die Sky-Preise, nächste Saison wird’s wieder teurer. Um durchschnittlich 4,4 Prozent in allen Kneipen, wie das Unternehmen mitteilt. Macht für Christiane Görlitz und die Destille Zusatzkosten von 20 Euro monatlich, und hier könnte die Geschichte schon wieder zu Ende sein.

20 Euro im Monat mehr ist natürlich drin, sagt sie. Voriges Jahr stiegen die Preise bundesweit um ein Vielfaches, für Görlitz um rund 40 Prozent. Es gab richtig Ärger, bundesweit protestierten Kneipenwirte gegen die Preispolitik von Sky, den Monopolisten in Sachen Livefußballübertragung. Da kann man nichts machen, sagen sie in Wedding. Nur kündigen, aber wer kommt dann Samstagnachmittag in den Laden? Und überhaupt könnte man die Geschichte vom Kugelblitz und der Bundesliga auch anders erzählen, finden sie hier. Dann beginnt sie vor fünf Jahren, als Görlitz zusammen mit ihrem Partner Klaus Kuhfeld den Laden übernommen hat. Als sie angefangen haben, Fußball zu zeigen. Für 180 Euro monatlich. Lange her.

Sky will die Kneipen aus dem Markt drängen, glaubt Klaus Kuhfeld, um mehr Abos an Privatkunden zu verkaufen. Wenn sie das geschafft haben, können sie wegen der erhöhten Reichweite mehr Geld für Werbespots verlangen, so die Theorie. Sky bietet den Wirten ein Geschäft an: Wenn sie jetzt für zwei Jahre unterschreiben, dann entgehen sie der Preiserhöhung. Und im nächsten Jahr sind wir dann richtig fällig, sagt Kuhfeld. Kann nicht passieren, sagt eine Sky-Unternehmenssprecherin. Wenn Sky um mehr als fünf Prozent die Preise erhöht, haben die Wirte ein Sonderkündigungsrecht.

Raus aus dem Vertrag kommen Kuhfeld und Görlitz also immer. Theoretisch. Praktisch aber ist Kneipe ein Geschäft mit Gewöhnungseffekt. Kneipen gibt’s überall, es geht darum, die eine, entscheidende zu sein. Der Ort zu sein, wo die Leute hingehen, weil sie sich wohlfühlen. Weil „Wie immer?“ nur der erste Schritt auf dem Weg zum wortlos hingestellten, aber natürlich passenden, Getränk ist; und wer’s nicht glaubt, der kann ja mal als Fremder in eine dieser Eckkneipen gehen und gucken, was passiert. Und irgendwann ist dann Schluss. Ist das Sky-Abo so teuer, dass sie aufgeben. Aus Sky-Sicht gibt die Destille jedes Jahr von Neuem auf: Wenn sie den Vertrag kündigen, pünktlich zum letzten Spieltag. Und dennoch die vollen zwölf Monate zahlen müssen; auch jetzt, in der Fußballsommerpause, wo sie natürlich gerne auf die Idee kommen dürfen, Golfturniere oder Tennis zu zeigen. Wofür sich aber kaum einer interessiert.

Und irgendwann kurz vor Saisonbeginn kommt dann wie jedes Jahr der Sky-Außendienstler bei ihnen vorbei, und Görlitz und Kuhfeld geben sich skeptisch, um ein paar Prozente oder sonstige Vergünstigungen herauszuschlagen. Und dann abonnieren sie wieder, weil sie müssen, aber irgendwann nicht mehr können werden.

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