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Berlin: Gäste dürfen draußen bleiben

20-Uhr-Sperrstunde in Friedrichshain soll neu verhandelt werden

Kneipenbesucher und Wirte in Friedrichshain sollen eine neue Chance auf Sommerabende im Freien bekommen. Die vom Bezirksamt an Kneipiers zwischen Revaler Straße und Frankfurter Allee verschickten Bescheide, wonach sie ab 20 Uhr nur noch je sechs Stühle auf den Gehweg stellen dürfen, sind nach Auskunft von Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) dem Übereifer von Amtsmitarbeitern geschuldet. Sie hätten damit eine von Anwohnern angedrohte Klage abwenden wollen – allerdings ohne Rücksprache mit ihren Vorgesetzten. Die waren im Urlaub.

Heute will das Bezirksamt über die Neuregelung diskutieren, die viele Wirte um ihre Existenz fürchten lässt. „Am Mittwoch treffe ich mich dann mit den Fachämtern, die das verbrochen haben“, sagte Schulz. Dann solle über Alternativen beraten werden, denn „wenn sich das durchsetzt, ist die Attraktivität dieses Kiezes als Amüsiermeile weg.“

Das fürchten selbst die Anwohner, die von der Regelung profitieren sollen. Zwar sei der Status quo – Reglementierungen nur für die Simon-Dach-Straße und Nachsicht bei Verstößen – unerträglich gewesen, aber jetzt seien die Behörden „übers Ziel hinausgeschossen“, sagte ein Mitglied der Anwohnerinitiative „Die Aufgeweckten“. „Dabei sind wir ja froh, dass überhaupt etwas passiert.“

Nach dem ersten Schrecken zeigen sich auch die Wirte einsichtig. Michael Näckel, Sprecher der eilig gegründeten Initiative „Wir(te) in Friedrichshain“, versteht die Schreiben als „finalen Warnschuss des Bezirksamtes, um eine Reaktion herauszukitzeln“. Die solle in Form eines „Wirte-Kodex“ kommen, der beispielsweise zum leisen Einräumen von Tischen und Stühlen verpflichtet und rasselnde Eisenketten verbietet. Langfristig dürften die Wirte mit ihren über 3000 Open-Air-Plätzen auf wohlwollende Anwohner angewiesen sein. Denn die kennen die Gesetzeslage genau und sehen sich bei einem Prozess auf der sicheren Seite. Stadtrat Schulz bescheinigt der Initiative „große Sachkunde“. Für die eigenen Leute hat er weniger Lob übrig: Das Bezirksamt habe Spielräume für einen Kompromiss ausloten und sich noch im August mit allen Beteiligten zusammensetzen wollen. „Da kam diese Sache jetzt sehr unglücklich.“

Auch andere Szene-Bezirke halten die Sechs-Stühle-Regelung für untauglich: „Sollen die Wirte per Eene-meene-muh bestimmen, wer noch bleiben darf? Bei uns ist die letzte Runde konsequent um 22 Uhr“, sagt der Tempelhof-Schöneberger Stadtrat Gerhard Lawrentz (CDU). Sein Pankower Kollege Matthias Köhne (SPD) favorisiert ebenfalls diese Regelung. Er hat zudem einen „Gewöhnungseffekt“ bei Anwohnern, etwa am Kollwitzplatz, beobachtet. Im Rathaus Mitte wird die Aktion der Friedrichshain-Kreuzberger Kollegen eher amüsiert als interessiert betrachtet. Und die Landes-SPD mahnt gar, die Stadt „nicht mit absurden Vorschlägen der Lächerlichkeit preiszugeben.“Stefan Jacobs

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