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Berlin: Ganz der Große

Fritz Kalkbrenner ist der kleine Bruder von Star-DJ Paul. Jetzt ist das erste eigene Album des singenden Produzenten draußen

Das Stück war für seine damalige Freundin gedacht. Ihr Geburtstag stand bevor, und Fritz Kalkbrenner wollte ihr ein selbstproduziertes Lied schenken. Weil sein Studio zu dem Zeitpunkt aber gerade eingelagert war, nahm er den Gesang bei seinem Bruder Paul auf. Der hörte zufällig in die Aufnahme rein, war begeistert – und überredete Fritz, das Lied auf Platte zu pressen. Wenig später landete „Sky and Sand“ auf dem Soundtrack zum Film „Berlin Calling“ und wurde ein Hit mit Goldstatus.

„Wir haben der Nummer viel Potenzial eingeräumt, wegen der Zugänglichkeit“, sagt Fritz Kalkbrenner. Aber dass sie so erfolgreich werden würde, damit hatten beide nicht gerechnet. Paul wurde über Nacht zum Star, auch weil er die Hauptrolle in „Berlin Calling“ spielte. Fritz, der im Film auch einen kleinen Part übernahm, legt nun nach. Vor kurzem veröffentlichte er sein erstes Album „Here today gone tomorrow“. Und am heutigen Samstagabend tritt der 29-Jährige damit im Astra Kulturhaus auf.

Ein diesiger Nachmittag in Kreuzberg. Fritz Kalkbrenner hat für das Gespräch ein kleines asiatisches Restaurant an der Oberbaumbrücke vorgeschlagen. Am Nachbartisch sitzt das Team vom Watergate Club. Kurze Begrüßung, man kennt sich. So ist das hier in der Gegend. Um die Ecke befindet sich das Büro seines Labels „Suol“. Dort wird gerade umgebaut, ein größeres Studio soll entstehen, Kalkbrenner hilft bei den Arbeiten.

Dass aus dem Schulabbrecher eines Tages ein anerkannter Technokünstler und Musikproduzent werden würde, damit hätten wohl vor allem seine Eltern nicht gerechnet. Die waren schockiert, als der Sohn das Abi schmiss, „aus adoleszentem Überdruss“, wie er heute sagt. Als er seine Entscheidung daheim verkündete, setzten sie ihn vor die Tür ihrer Lichtenberger Wohnung. Mit einem Mal war Kalkbrenner auf sich allein gestellt.

Er kam vorübergehend bei Freunden unter und suchte sich einen Aushilfsjob auf dem Bau. Später begann er ein Volontariat bei MTV und arbeitete als freier Journalist fürs Fernsehen. Nebenher widmete sich Kalkbrenner seiner großen Leidenschaft: der Musik. Schon als Teenager war er begeisterter HipHop-Fan, dann entdeckte er Techno. Auf der ausrangierten Studiotechnik seines älteren Bruders lernte er das Produzieren. „Zuerst war viel Katzenjammer dabei – ich bin froh, dass davon keine Aufnahmen mehr existieren.“

Im Gespräch legt Fritz Kalkbrenner viel Wert auf eine genaue Wortwahl. Zum Beispiel darf man ihn nicht einen Sänger nennen. „Ich bin ein Produzent, der singt, das ist ein Unterschied. Der gesangliche Aspekt soll sich in den Produktionsaspekt einfügen, er soll nicht hervorstechen“, sagt er. Und auch als DJ darf man ihn nicht bezeichnen. Er sei ein Live-Act, betont Kalkbrenner. Bei Auftritten finde ein Live-Arrangement seiner eigenen Stücke statt – ein DJ hingegen spiele die Musik anderer Leute.

Knapp anderthalb Jahre hat Kalkbrenner in seiner Wohnung in Friedrichshain an seinem Debütalbum gearbeitet. Während der Produktion hat er sich weder von seinem Bruder noch von befreundeten Kollegen helfen lassen. „Das hat auch damit zu tun, dass ich Herr meines eigenen kulturellen Produkts bleiben will“, sagt er. Stilistisch rangiert er zwischen Minimal und House, Kalkbrenner selbst will sich nicht festlegen lassen: „Von mir aus kann jeder meine Musik in die Schublade stecken, die ihm zusagt.“

Bruder Paul war einer der ersten, die das Album nach der Fertigstellung zu hören bekam. Er war voll des Lobes. Und auch sonst unterhalten sich die beiden oft über Musik. „Wir stehen uns sehr nah und teilen die gleiche Leidenschaft, da ist das nur logisch“, sagt Fritz, der vier Jahre jünger ist. „Wenn einer von uns bei der Sparkasse arbeiten würde, gäbe es vermutlich weniger Austausch.“ Nur auf eines brauchen die Fans nicht zu hoffen: auf eine zweite Zusammenarbeit der beiden Kalkbrenner-Brüder.

Auch den Remix-Anfragen bekannter Künstler nach dem Erfolg von „Sky and Sand“ erteilte Fritz eine Absage. Er habe sich nicht instrumentalisieren lassen wollen, sagt er. Zu groß die Gefahr, von der Szene verstoßen zu werden. Deren Rückhalt ist ihm wichtig, das kommt auch im Albumtitel „Here today gone tomorrow“ zum Ausdruck. „Als Künstler muss man sich immer fragen, wo man in Zukunft stehen will – sonst steuert man auf den kreativen Tod zu.“

Astra Kulturhaus, 22 Uhr, 20 Euro

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