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Berlin: Ganz große Oper, ganz großes Geld Erspart sich Berlin die Kultur? DIE ANALYSE

Viele meinen, Berlin ist ausgepresst, noch mehr sparen geht nicht. Finanzsenator Thilo Sarrazin widerspricht: Die Stadt lebt über ihre Verhältnisse. Sie gibt 49 Prozent mehr aus, nimmt aber nur 25 Prozent mehr ein als die anderen Bundesländer. In einer Serie analysieren wir die Situation. Und die Betroffenen äußern sich dazu. Das Thema heute lautet:

WIE RETTEN WIR BERLIN?

Das Land Berlin hat 2001 für Kunst und Kulturpflege 485 Millionen Euro ausgegeben. Damit lagen die Ausgaben pro Einwohner um 74 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und um 46 Prozent über dem Niveau von Hamburg. Absolut gerechnet betrugen die Mehrausgaben gegenüber dem Bundesdurchschnitt 207 Millionen Euro.

293 Millionen Euro entfielen auf Theater und Musik. Hier lagen die Ausgaben um 105 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und 46 Prozent über dem Hamburger Niveau. Es wird behauptet, dass das große Angebot an Oper und Theater in Berlin wichtig sei für den Tourismus. Die meisten Besucher hat die Stadt allerdings während der Theaterferien. Und über den tatsächlichen Anteil auswärtiger Gäste existiert weder bei der Kulturverwaltung noch bei den Theatern eine Statistik.

Anspruchsvolles Theater und Oper lassen sich zwar nirgendwo in Deutschland kostendeckend betreiben. Aber nirgends ist der Zuschussbedarf so hoch wie in Berlin: Von den Gesamtkosten der drei Berliner Opern wurden 2001 lediglich 14,3 Prozent durch die Eintrittspreise abgedeckt, bei den staatlichen Theatern betrug der Kostendeckungsgrad durch Eintrittspreise lediglich 7,1 Prozent. Überall sind eine unzureichende Auslastung und unterdurchschnittliche Kostendeckungsgrade zu finden.

Der Berliner Opernfreund wird vom Land bei jedem Opernbesuch mit durchschnittlich 160 Euro subventioniert, in der Hamburger Staatsoper sind es nur 111 Euro, in der Münchner Staatsoper 103 Euro. Die Auslastung beträgt in der Bayerischen Staatsoper durchschnittlich 92 Prozent - gegenüber 85 Prozent in der Staatsoper Unter den Linden, 59 Prozent in der Komischen Oper und 60 Prozent in der Deutschen Oper. Bei „Münchner Verhältnissen“ und Berliner Besucherzahlen könnten beim Opernzuschuss jährlich 40Millionen Euro eingespart werden.

Die Ursachen für diesen frappanten Unterschied liegen sowohl auf der Kosten- als auch auf der Ertragsseite: Eine Karte in der Münchner Staatsoper bringt einen Erlös von durchschnittlich 42 Euro, gegenüber 34 Euro in der Deutschen Staatsoper, 25 Euro in der Deutschen Oper und 22 Euro in der Komischen Oper. In München geht die Skala der Kartenpreise bis 190 Euro, während sie in Berlin auf 87 Euro in der Komischen Oper, 120 Euro in der Staatsoper und 110 Euro in der Deutschen Oper begrenzt ist.

Finanzsenator Thilo Sarrazin: „Deutschland hat eine besondere Tradition staatlich subventionierter Kultur, und Berlin ist in dieser Hinsicht besonders deutsch.“ Es könne dahingestellt bleiben, ob Berlin wegen seiner hohen Subventionskultur eher Kulturhauptstadt sei als London, Paris oder New York. Die Möglichkeit, sich aufgrund staatlicher Gelder mehr als anderswo von der Publikumskunst abzukoppeln, habe nicht nur stimulierende, sondern fraglos auch erschlaffende Wirkung. „Gerade in Berlin schielt man oft auf die goldenen zwanziger Jahre zurück: Max Reinhardt im Deutschen Theater bezog damals keine Subventionen, und Zuckmayers ,Fröhlicher Weinberg’ füllte die Säle zu kostendeckenden Eintrittspreisen.“ Ohne die strukturellen Mehrausgaben für Kultur hätte Berlin heute 3,6 Milliarden Euro Schulden weniger und müsste Jahr für Jahr 180 Millionen Euro weniger Zinsen zahlen. Tsp

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