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Berlin: Ganz große Oper

Eine Premiere der besonderen Art: Profis und Amateure zusammen auf der Bühne – das gibt es in Berlin nun zum ersten Mal. Gespielt wird Verdis Erstlingswerk

Es kann nicht immer das Profiorchester sein. Oder zumindest nicht gleich. In Berlin leben Menschen, die ein Instrument spielen, aber sich irgendwann für eine andere berufliche Laufbahn entschieden haben. Für sie gibt es zahlreiche Möglichkeiten, in Orchester und Chören, denen man gerne den Beinamen „Laien-“ gibt, zu spielen und zu singen. Was es bisher nicht gab: Beide Kunstformen vereint zu dem, was Richard Wagner das Gesamtkunstwerk nannte – zur Oper.

In diese Lücke stößt jetzt ein junger freiberuflicher Dirigent. Felix Krieger, vergangene Woche 37 Jahre alt geworden, hat in London erlebt, welche Energien freigesetzt werden können, wenn – wie er lieber sagt – „Amateure“ mehrmals im Jahr mit Profis eine Oper stemmen. Die Chelsea Opera Group wurde 1950 von Colin Davis ins Leben gerufen, Simon Rattle hat hier dirigiert, und auch Felix Krieger war einmal aushilfsweise für zwei Rachmaninow-Einakter eingesprungen. „Damals wurde mir klar, dass so etwas auch in Berlin funktioniert“, sagt er. 2007 entstand der Verein „Berliner Operngruppe“. Bis Sponsoren und genügend Geld da waren, vergingen noch einmal drei Jahre, aber am Montag ist es so weit: Die Gruppe wird im Radialsystem ihre erste Oper aufführen. Passenderweise handelt es sich um ein Werk, das auch für seinen Komponisten das erste war. Mit „Oberto, Conte di San Bonifacio“ trat 1839 Giuseppe Verdi ins Licht der Musikgeschichte.

Damals war er natürlich noch nicht das Genie, der Schöpfer des unsterblichen „Rigoletto“ oder „Otello“, sondern ein vollkommen Unbekannter. Und doch weisen laut Felix Krieger schon hier zahlreiche Details auf den späteren Verdi hin: in der Melodik, den Chören und Arien. Die musikalischen Qualitäten dürften das etwas dürftige Libretto kompensieren, in dem ein mittelalterlicher italienischer Ritter den Tod findet bei dem Versuch, die Heirat seiner Tochter mit einem Schurken zu verhindern. Bei der Aufführung im Radialsystem steht aber sowieso die Musik und nicht die Szene im Vordergrund. Das Werk wird konzertant aufgeführt. Warum? „Wir wollen nicht mit den großen Häusern konkurrieren, sondern wenig bekannten Werken, die angeblich schwach sind, eine Chance geben, mit neuen Ohren gehört zu werden“, so Krieger.

Im rund 50-köpfigen Orchester sitzen zur Hälfte Amateure, im Chor ist ihr Anteil größer. Die Sänger sind alle Profis, denn Musiktheater braucht gute Stimmen, ohne die geht es nicht. Eigentlich geht es auch nicht ohne Szene, denn erst in der visuellen Inszenierung auf der Bühne wird Oper wirklich zur Oper. Aber manchen Mitwirkenden ist es gar nicht unrecht, dass auf eine Inszenierung verzichtet wird. Ekkehart Krippendorff zum Beispiel. Er hat seit seiner Schulzeit „immer wieder mal“ Bratsche gespielt, erzählt er, und dann viele Jahre an der Freien Universität Politikwissenschaft gelehrt. Die Arbeit vieler Regisseure bereitet ihm ein großes Unbehagen. „Ich finde es gut, dass der Zugang zu dem Stück nicht blockiert wird durch Szene. Das ist doch die Malaise heutiger Opernregie: Dass sie originell sein will, weil sie glaubt, es sein zu müssen.“ Aber wie für andere geht es ihm vor allem um den Spaß am Spielen. „Ich bin eher unzuverlässig, wenn es ums Üben geht. Aber im Rahmen dieses Projektes, mit drei klar begrenzten, intensiven Probenwochenenden geht es wunderbar.“

Ulrike Bährle hingegen hat jahrelang intensiv geprobt. Die 41-Jährige war Flötistin in verschiedenen Orchestern, hat sich dann aber entschieden, stattdessen in der Marketingabteilung eines großen CD-Labels zu arbeiten. Jetzt freut sie sich, wieder Freude und Leidenschaft am Spielen zu empfinden – ein Gefühl, das in der professionellen Arbeit manchmal auf der Strecke geblieben war. Diese Erfahrung steht Anna-Friederike Dettmar noch bevor. Die 19-Jährige hat als Diplomatenkind an vielen Orten Geigenunterricht genommen, jetzt möchte sie das Instrument gerne studieren. Ein Projekt wie „Oberto“ ist zur Vorbereitung sicher hervorragend geeignet. Wer Amateur ist, muss es ja nicht bleiben. Udo Badelt

Radialsystem, 3. Mai, 20 Uhr, www.berlineroperngruppe.de, Tickets 15-29,95 Euro

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