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Garnisonkirche in Potsdam: Von oben herab geht nichts

Ob Garnisonkirche in Potsdam oder Tempelhofer Feld in Berlin: Es fehlt das Vertrauen in die Politik. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Um was es wirklich geht, davon wird Mittwoch in der Sondersitzung der Potsdamer Stadtverordneten nur am Rande gesprochen. Auf der Tagesordnung steht, ob die Rathauskoalition das erfolgreiche Bürgerbegehren gegen den Aufbau der Garnisonkirche ablehnt – womit es zeitgleich zur Landtagswahl am 14. September zum Volksentscheid über das Projekt kommen könnte. Der Bau symbolisiert längst ein grundsätzliches Unbehagen über die Entwicklung der Landeshauptstadt. Zugezogene gegen Alteingesessene, museale Fassaden gegen neue Architektur, Eliten gegen Habenichtse, preußisches Disneyland gegen lebendige Stadt – in dieser Gemengelage präsentieren sich die Wachstumsschmerzen einer strahlend erfolgreichen Stadt.

Potsdam ist Heimstatt eines neuen Bürgertums, das genügend Geld hat, die rasant steigenden Immobilienpreise zu zahlen. Die Stadt wächst schnell, verändert sich zu schnell, um alle Potsdamer mitzunehmen. Das schafft Reibung und Ablehnung, Missgunst und Beharrung. Die Bewohner der Plattensiedlungen fühlen sich abgehängt, und die Alt-Potsdamer fürchten, dass im Umgestaltungsboom von jener Stadt nichts mehr bleibt, in der sie ihr Leben verbracht haben. Und die Studenten und jungen Familien sorgen sich, dass sie sich das Elitenprojekt Potsdam immer weniger leisten können.

Dass sich dieses Unbehagen gerade am Projekt Garnisonkirche entzündet, daran hat das ungeschickte Vorgehen der Befürworter großen Anteil. Das Misstrauen, hier werde am Ort des berüchtigten Händedrucks zwischen Hitler und Hindenburg der unselige preußische Militarismus wiederbelebt, haben die Protagonisten nie zerstreuen können – trotz ehrenwerter Unterstützer. Den Eindruck verfestigt hat das Gebaren der rückwärtsgewandten Traditionsgemeinschaft, die erst kürzlich aus dem Projekt ausschied. Das Konzept einer Versöhnungskirche stand dagegen jahrelang nur auf dem Papier – ein unglaubwürdiges Feigenblatt und wenig überzeugend, wie die mageren Spenden beweisen. Geholfen hat auch nicht, dass Angela Merkel, Sigmar Gabriel oder auch die Brandenburger Überväter Manfred Stolpe und Matthias Platzeck für den Kirchturmbau werben.

Von oben herab ist nichts durchsetzbar. Das Projekt Garnisonkirche ist die Potsdamer Entsprechung des Konflikts um das Tempelhofer Feld in Berlin – dort wie hier fehlt den Menschen das Vertrauen in die politisch Verantwortlichen. In Berlin war diese Stimmung gegen einen Regierenden Bürgermeister gerichtet, dem mit dem Bau der Landesbibliothek scheinbar nur sein eigenes Denkmal wichtig schien. In Potsdam ist es die Sorge vor einem rücksichtslosen Marsch in eine zweifelhafte architektonische Vergangenheit, in ein preußisches Museum. Erst dieses Gefühl erklärt den Aufstand gegen einen Abriss des hässlichen Mercure-Hotels gegenüber dem Schlossneubau. Da können die Garnison-Freunde ausgiebig die Irrationalität der Debatte beklagen, Prominente für den Bau werben und Oberbürgermeister Jann Jakobs noch so viele gute Argumente haben: Wer es versäumt, sich rechtzeitig zu erklären, auf Ängste zu hören und die Menschen mitzunehmen, der verliert. Egal, ob in Berlin oder in Potsdam.

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