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Das Thema Landesbibliothek erhitzt nicht nur die Gemüter der Berliner.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gastbeitrag: Berlin braucht eine neue Landesbibliothek!

Mit der Schließung von Kiezbüchereien gegen einen zentralen Neubau zu argumentieren, ist unfair, kommentiert der Vorsitzende des Deutschen Bibliothekenverbandes, Frank Simon-Ritz. Berlin brauche einen modernen Ort des Lernens – und zwar für alle.

Berlin ist die einzige deutsche Großstadt, die nicht über eine zentrale öffentliche Bibliothek in einem großzügigen, modernen Gebäude verfügt. Die neue Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) auf dem Tempelhofer Feld soll genau diese Funktion erfüllen und wird für alle Berlinerinnen und Berliner offen stehen. Sie soll ein zentraler Bildungs- und Lernort werden, ein Ort für alle Bevölkerungsgruppen und -schichten.

Es geht also nicht darum, einen teuren Protzbau zu errichten. Vielmehr geht es darum – wie es der damalige amerikanische Außenminister Dean Acheson bei der Grundsteinlegung für die Amerika-Gedenkbibliothek ausdrückte – der Freiheit des Lernens, des Studierens und der Wahrheitssuche ein neues Zuhause zu geben.

Aktuell platzt die ZLB mit ihren fast 3,5 Millionen Medieneinheiten im wahrsten Sinne des Wortes aus allen Nähten. Das hat vor allem damit zu tun, dass ihre Gebäude aus den fünfziger beziehungsweise sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts stammen und für eine ganz andere Situation und Entwicklung konzipiert waren. Die traurige Folge ist, dass heute nur ein Zehntel der Bestände für die Benutzerinnen und Benutzer frei zugänglich präsentiert werden kann.

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite besteht darin, dass die Bibliothek an ihren drei Standorten zwar insgesamt über 38 000 Quadratmeter Hauptnutzfläche verfügt – davon aber nur etwa 7 000 Quadratmeter für den Publikumsbereich zur Verfügung stehen. In diesem Bereich lassen sich heute gerade einmal 500 Arbeits- und Benutzerplätze unterbringen. Das ist für eine Millionenstadt wie Berlin eine verschwindend geringe Anzahl.

Für 1000 Berliner jeweils ein Arbeitsplatz

Sowohl im Hinblick auf die Bestände als auch auf die Arbeitsplätze besteht ein akuter Notstand. Die aktuelle Planung sieht vor, dass das neue Gebäude insgesamt über circa 51 000 Quadratmeter Hauptnutzfläche verfügen wird. Davon sollen – und das wäre der eigentliche Zugewinn an Benutzungskomfort – mehr als die Hälfte frei zugänglich sein.

In diesem großzügigen Publikumsbereich sollen 3 200 Nutzerplätze untergebracht werden. Dies entspricht einer Versechsfachung des jetzigen Arbeits- und Leseplatzangebots. Werden diese Pläne realisiert, kann dem anvisierten Ziel, für 1 000 Einwohner Berlins jeweils einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, ziemlich genau entsprochen werden.

Dr. Simon-Ritz ist Vorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes.
Dr. Simon-Ritz ist Vorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes.

© Promo

Die Diskussion über Sinn und Zweck des Neubaus für die ZLB gerät in eine Schieflage, wenn man jetzt versucht, den Neubau gegen die zum Teil desolate Situation der Bezirksbibliotheken und ihrer Zweigstellen auszuspielen. Tatsächlich bestehen auf der bezirklichen Ebene zum Teil erhebliche Probleme, ein flächendeckendes Bibliotheksnetz aufrechtzuerhalten. Nicht zufällig wird in Kreuzberg und in Treptow gerade über die Schließung von „Kiezbibliotheken“ diskutiert.

Bezirks- und Landesebene sind zwei Paar Schuhe

Trotzdem muss klar sein, dass zumindest im Augenblick die Landesebene, auf der über die ZLB diskutiert wird, und die bezirkliche Ebene nicht das Geringste miteinander zu tun haben. Es ist also fast schon fahrlässig, wenn man jetzt argumentiert, dass das Geld, das man einsparen könnte, wenn man auf den Neubau verzichtete, dann den Bezirksbibliotheken zugutekommen würde.

Trotzdem liegt genau an dieser Stelle ein echtes Problem. Dieses Problem besteht darin, dass die ZLB und die Bezirksbibliotheken zu wenig aufeinander bezogen sind. Die Politik in Berlin sollte begreifen, dass es ihre Aufgabe ist, ein städtisches Bibliothekskonzept zu entwickeln, das in moderner Weise die neue Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld und die Bibliotheken in den Bezirken zueinander in Beziehung setzt.

Fortschritt um der Bildung willen

Es ist allerhöchste Zeit, dass der Berliner „Bibliotheksentwicklungsplan“, der aus dem Jahr 1995 stammt und bei seiner Veröffentlichung bereits überholt war, fortgeschrieben wird. Der Deutsche Bibliotheksverband bietet hierbei gerne seine Unterstützung an.

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