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Kopftugträgerinnen sind oft neugierigen Blicken ausgesetzt.

© Juliane Fiegler

Gastbeitrag einer Muslima: Fragt mich nach meinem Kopftuch!

Seit ich 13 Jahre alt bin, verhülle ich meine Haare. Seitdem begleiten mich neugierige Blicke und Unverständnis. Ein Plädoyer für Toleranz.

Es begleitet mich schon seit langer Zeit. Ich trage mein Kopftuch seit ich die siebte Klasse besuche, ich war 13 Jahre alt und erinnere mich noch genau an die immense Spannung, die mich umhüllte. Sorgfältig suchte ich mir mein Tuch aus, das erste vor allen anderen, schritt mächtig stolz aus der Tür, das erste Mal ohne den sichtbaren Pferdezopf am Hinterkopf. Es war anders als heute, eine kindliche Freude, unkompliziert und bedenkenlos.

Mein Kopftuch war damals unberührt von all dem Hagel an politischen Stigmata. Vermutlich weil ich noch zu jung war, um es zu bemerken. Vielleicht aber auch, weil das Kopftuch sich erst in den letzten Jahren von einem einfachen religiösen Zustand zu einem heiklen Debattenthema entwickelte. Doch eine Sache blieb in den sieben Jahren stets unverändert – der Grund des Verhüllens meiner Haare: die beständige Liebe zu Gott.

Das größte Missverständnis, das meinem Kopftuch in dem gesellschaftlichen Spektrum zuteil wird, ist wahrscheinlich die Ausblendung der Individualität, die unter ihr schlummert. Oft werden in den hitzigen Diskussionen um seine Bedeutung all jene Köpfe außen vor gelassen, die vor Diversität strotzen. In denen Ideen und Visionen rauchen, die nur darauf warten dieses Land zu bewegen. Jemand, der seine Ärmel voll gebündeltem Tatendrang hochkrempelt, darf niemals gezwungen werden, sie wieder abgebrannt runterzuziehen. Vor allem dann nicht, wenn der Grund so banal ist wie ein Stück aus dünner Baumwolle. Und erst recht nicht dann, wenn in die Fasern dieser Tücher Worte wie Unterdrückung und Unfähigkeit geschrieben werden.

Ehrliches Interesse meiner Mitmenschen

Skepsis und Neugierde sind eine Sache. Emotionale Bevormundung und das vorrangige Absprechen eigener Meinungen eine völlig andere. Denn fragende Blicke, die vor allem unter brühenden Sonnenstrahlen im August an meinem Kopf haften bleiben, sind nun schon lange zur Gewohnheit geworden. Darüber würde ich mich nie beklagen. Denn was ist menschlicher als Unverständnis auf Dinge, die einem bisher fremd waren? Vielleicht ja die darauffolgenden Fragen, das Nachhaken. Jedenfalls wünsche ich mir das immer und immer wieder.

Büsra Delikaya, 20, ist Berlinerin und studiert Germanistik und Geschichte in Potsdam. Sie betreibt den Blog „openminded“ (buesrad.blogspot.de).
Büsra Delikaya, 20, ist Berlinerin und studiert Germanistik und Geschichte in Potsdam. Sie betreibt den Blog „openminded“ (buesrad.blogspot.de).

© Davids

Oft bekam ich auf offener Straße oder in Vorlesungen Fragen bezüglich meines Kopftuches. Oft wurden sie mit zittriger Vorsicht und distanzierter Haltung gestellt. Mit schwang die Unsicherheit, ob man nun zu weit gegangen wäre. Ob das womöglich ein Fauxpas war. Auf derlei Fragen bemühte ich mich immer mit überschwänglicher Offenheit zu antworte. Bevor ich über die ewige Leier der Repression meiner selbst die Augen rolle, erfreue ich mich lieber über ehrliches Interesse meiner Mitmenschen. Und nicht immer stoße ich im Nachhinein auf Verständnis. Die Stirn bleibt bei einigen weiterhin in viele tiefe Falten gelegt, Blicke sind nach wie vor fragend. Denn nicht jeder versteht, was ich da trage und primär weshalb ich es freiwillig und gerne tue.

Toleranz ist ein Indiz für Humanität

Doch das ist in jedem Fall kein Grund, auf solche Fragen nicht mit der gleichen Geduld und Achtsamkeit zu antworten, wie ich es von meinem Gegenüber bezüglich meiner Entscheidung erwarte. Die Deutungshoheit sollte immer und überall bei denen liegen, die das Gesprochene auch leben. Denn ich als Kopftuchträgerin, kann vermutlich klarer, unverfälscht und genuin über meine Gefühle während des Tragens sprechen.

Es wäre naiv und womöglich auch äußerst töricht von jedem Einzelnen für mein Kopftuch pure Akzeptanz zu erwarten. Doch Toleranz ist in meinen Augen ein Indiz für Humanität. Ein Instrument, das die durch all die Debatten brüchig gewordenen Brücken erneut restaurieren kann. Und so oft wie möglich versuche ich mich in die Lage Außenstehender zu versetzen, die nicht dieselben Vorstellungen von Gott besitzen wie ich. So suche ich während des Erklärens nach den verständlichsten Worten. Das wissentliche Nachempfinden auf beiden Seiten ist wichtig für eine friedliche Einheit, die für immer in großen Unterschieden verweilen wird. In diesen Unterschieden eine Bereicherung zu sehen, liegt einzig und allein an uns. Ob nun Muslim oder nicht, Kopftuchträgerin oder nicht. Manchmal ist es doch beruhigend, wie anders wir alle sind – so wird es nie zu grau.

Unsere Gastautorin Büsra Delikaya, 20, ist Berlinerin und studiert Germanistik und Geschichte in Potsdam. Sie betreibt den Blog „openminded“ (buesrad.blogspot.de).

Büsra Delikaya

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