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Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, und Katrin Lompscher (Die Linke), Berliner Bausenatorin

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Gastbeitrag von Michael Müller: Bezahlbarer Wohnraum ist die Frage unserer Zeit

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller will mit der SPD neue Maßnahmen in der Wohnungspolitik ergreifen. Ziel sei ein Mietmoratorium.

Zu den Grundbedürfnissen jedes Menschen gehört es, ein Dach über dem Kopf zu haben. Wohnen ist ein Grundrecht. Es bedeutet Sicherheit und Geborgenheit.

Es ist deswegen nicht verwunderlich, dass sich viele in den Großstädten angesichts der überall steigenden Mieten und vor allem des immer knapper werdenden bezahlbaren Wohnraums um ihr Dach über dem Kopf sorgen. Dabei ist es mittlerweile fast egal, ob sie eine Wohnung haben oder suchen. Die Sorge, sich seine vier Wände nicht oder nicht mehr leisten zu können, verunsichert die Menschen. Auch diejenigen, die Wohneigentum selbst nutzen wollen.

Für mich steht fest: Bezahlbarer Wohnraum ist die soziale Frage unserer Zeit. Niemand darf glauben, das länger aussitzen zu können. Die Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter müssen endlich klaren Vorrang vor Lobbyinteressen haben.

Für die SPD entscheidet sich in der Wohnungspolitik genauso wie bei den Themen Arbeit, Rente, Gesundheit und Pflege, ob sie in den elementaren sozialen Fragen unserer Zeit Glaubwürdigkeit zurück erlangen kann und so für breite Schichten der Bevölkerung wieder wählbar wird.

Nicht länger halbherzige Schritte

Wie wichtig hier klare Kante ist, zeigt uns das gerade bekannt gewordene, interessengeleitete Gutachten aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Die Vorschläge darin reichen bis zur Abschaffung der Mietpreisbremse und des sozialen Wohnungsbaus. Manche in der Wohnungswirtschaft wollen ihre hohen Renditen sichern und fürchten offensichtlich, dass sich die Politik nicht länger mit halbherzigen Schritten begnügt.

Aus Berlin kenne ich die Nöte der Menschen auf Wohnungssuche oder bei jeder Mieterhöhung. Und ich weiß, dass es meinen Kollegen in den meisten Großstädten genauso geht. Es wird Zeit, dass wir überall in Deutschland deutlich machen: Die SPD steht an der Seite der Mieter, stellt bezahlbaren Wohnraum für alle ganz oben auf die Agenda.

Natürlich gibt es viele Menschen, die lieber in ihre eigenen vier Wände einziehen. Das ist verständlich und sollte auch ermöglicht werden. Aber bei der derzeitigen Wohnungskrise muss der Staat seine Ressourcen für die Versorgung derjenigen nutzen, die auf bezahlbare Wohnungen angewiesen sind.

Der Druck steigt von Tag zu Tag. Deswegen muss die SPD mehr wollen, als die marktliberalen und konservativen Verbände und Parteien zugestehen. Denn zukünftig werden Wahlen über die Frage verloren oder gewonnen, ob die Menschen zuversichtlich sind, sich ihr Dach über dem Kopf leisten zu können. Das ist eine Frage der sozialen Sicherheit und damit Gerechtigkeit.

In Berlin tun wir zur Mietenregulierung seit Jahren alles, was uns als Land möglich ist. Und weil das nicht reicht, fordern wir mit unserer Berliner Bundesratsinitiative endlich einen Paradigmenwechsel im Bundesmietrecht hin zu stärkerer Regulierung und bundespolitischer Unterstützung für die Kommunen.

Mietpreisbremse nicht zeitlich begrenzen

Im Koalitionsvertrag konnte die SPD gute erste Schritte für mehr bezahlbaren Wohnraum verhandeln, was Katarina Barley jetzt umsetzt. Aber nicht alle wichtigen Maßnahmen waren mit der Union verhandelbar. Aufgabe der SPD ist es jetzt, weiterzudenken.

Für mich sind für den Mietenbereich drei zentrale Forderungen von Bedeutung:

Die Menschen haben Angst, aus ihren Wohnungen herausmodernisiert zu werden. Deswegen müssen wir erstens die Modernisierungsumlage von elf Prozent auf höchstens sechs Prozent (statt laut Koalitionsvertrag acht Prozent) heruntersetzen – mit einer Kappungsgrenze von maximal zwei Euro pro Quadratmeter für acht Jahre (statt drei Euro für sechs Jahre). Generell aber müssen Modernisierungsumlagen enden, wenn sich die Investition refinanziert hat.

Zweitens muss die Mietpreisbremse bei Neuvermietung richtig greifen. Das heißt bundesweite Pflicht zur obligatorischen Offenlegung der Vormiete, damit überhöhte Mieten gar nicht erst erhoben werden können.

Und drittens müssen wir bundeseinheitliche Kriterien für qualifizierte Mietspiegel aufstellen, damit sich jede Stadt schnell und rechtssicher einen nicht vor Gericht anfechtbaren Mietspiegel leisten kann. Auch der Betrachtungszeitraum ist von vier auf zehn Jahre zu erweitern.

Und für mich steht fest: Die Mietpreisbremse und andere Mieterschutzregeln dürfen nicht zeitlich begrenzt werden. Die steigenden Mieten der letzten Jahre, die Auswüchse in den Großstädten beweisen, dass wir diese Instrumente dauerhaft benötigen.

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Für ein gemeinsam verhandeltes Mietmoratorium

Zu einer guten Wohnungspolitik gehört neben einer engagierten Bau- auch eine nachhaltige Bodenpolitik. Denn wir brauchen den Boden für den Wohnungsneubau. Boden darf keine Ware sein. Wer Baugrundstücke besitzt, von dem erwarten wir, dass er eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl wahrnimmt.

Dafür sind in einem ersten Schritt drei Maßnahmen nötig:

Politik und Verwaltung müssen schnelles Bauen ermöglichen. Aber Bauherren müssen dieses Baurecht dann auch schnell nutzen und dürfen Baugrundstücke nicht jahrelang unbebaut lassen. Um hier Druck aufzubauen, brauchen wir erstens endlich die Grundsteuer C. Wer ein Baugrundstück nicht bebaut, sondern damit spekuliert, der wird deutlich höher besteuert. Spekulation ist Gift für unsere Gesellschaft, deshalb müssen wir die Spekulationsgewinne abschöpfen. Nur so werden wir Spekulanten ausbremsen und dafür sorgen, dass schnell gebaut wird.

Zweitens dürfen wir kommunale Baugrundstücke nur noch in Erbbaurecht an sozial orientierte Bauträger wie kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften vergeben. Wenn Private unsere Bedingungen für sozialen Wohnungsbau erfüllen, können auch sie zum Zuge kommen.

Aber generell gilt: Boden lässt sich nicht vermehren. Kommunales Vermögen muss kommunal bleiben. Nur mit kommunalem Bodeneigentum können gemeinwohlorientierte Nutzung und soziale Bindung dauerhaft gesichert werden. Kommunen sollten ihre Flächen deshalb nur noch vergeben, wenn mehrheitlich bezahlbarer Wohnungsbau oder soziale Infrastruktur entsteht.

Der Standort Deutschland prosperiert nur bei sozialem Frieden

Und drittens müssen alle für Wohnungsbau und kommunale Zwecke nutzbaren Flächen des Bundesvermögens den Kommunen zu fairen Preisen zum Kauf angeboten werden, damit mehr bezahlbare Wohnungen, Schulen, Kitas gebaut werden können. Es kann nicht sein, dass eine staatliche Ebene zu Lasten einer anderen Höchstpreise fordert oder gar spekuliert. Nur wenn Kommunen auf ihr Vorkaufsrecht verzichten, können Grundstücke des Bundes im Erbbaurecht mit Konzeptverfahren zum Beispiel Genossenschaften oder privaten Trägern angeboten werden.

Für mich steht fest: Berlin ist bereit, alle Wohnungen und Liegenschaften des Bundes in der Stadt zu kaufen.

Die Bundes-SPD hat die „Kommission für bezahlbaren Wohnraum und soziale Bodenpolitik“ eingesetzt, die ich gemeinsam mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Natascha Kohnen leiten werde.

Natürlich werden wir dort auch mit den Unternehmen der freien Wohnungswirtschaft diskutieren. Und vielleicht setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Standort Deutschland nur bei sozialem Frieden prosperieren kann. Dazu müssen die Menschen hier gut leben und wohnen können.

Ein gemeinsam verhandeltes Mietmoratorium zum Beispiel würde den Markt schnell entlasten und gleichzeitig durch mehr Konsum der Wirtschaft zugute kommen. Ich will eine offensive Debatte um eine veränderte Wohnungs- und Mietenpolitik führen und werde in unserer SPD-Kommission und als Ministerpräsident auf Bundesebene weiter für eine soziale Wohnraum- und Bodenpolitik kämpfen. Für ein Recht auf gutes Wohnen für alle.

Michael Müller ist Regierender Bürgermeister von Berlin.

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Michael Müller

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