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Umsonst gejubelt. Die Begeisterung dieser Fans für Olympia 2000 in Berlin blieb seinerzeit erfolglos. Vielleicht klappt’s ja im nächsten Anlauf.

© imago

Gastbeitrag von Pirat Andreas Baum: „Olympia darf nicht als Wowereit-Projekt diskutiert werden“

Andreas Baum, sportpolitischer Sprecher der Piraten, sieht mögliche Sommerspiele als große Chance für die Stadt. Entscheiden aber sollen nur die Bürger. Lesen Sie hier seinen Gastbeitrag zur Tagesspiegel-Olympiadebatte.

Berlin diskutiert, ob eine Bewerbung der Stadt für Olympia 2024 sinnvoll ist oder nicht. Das ist gut! Denn dadurch wird jeder, der in dieser Stadt lebt, dazu angehalten, sich Gedanken zu machen, ob das funktionieren kann. Olympia in einer Stadt, die doch so viele andere Probleme hat.

Auch abseits der zur Totalkatastrophe verkommenen ewigen Baustelle Flughafen BER, der Staatsoper, deren Fertigstellung sich immer weiter verzögert, der S-Bahn, die sich von den Ausfällen im Winter 2008/2009 nie erholt hat, der kaputten Straßen und Brücken, gibt es viele weitere Probleme und offene Baustellen. Diese sind akut und müssen auf jeden Fall schleunigst abgearbeitet werden – unabhängig von einer Olympiabewerbung.

Wie kann nun aber die Politik, die das Land Berlin in einen solch schlechten Zustand gebracht hat, ernsthaft mit denjenigen, die diese Zustände tagtäglich auszubaden haben, über Olympia 2024 oder 2028 ins Gespräch kommen wollen?

Weil es auch zu den Aufgaben der Landespolitik gehört, Zukunftsvisionen für das Land zu entwickeln. Olympia ist nicht eins von Wowereits Projekten und darf so auch nicht diskutiert werden.

Andreas Baum, 36, war Spitzenkandidat der Piraten bei der Abgeordnetenhauswahl 2011. Heute ist er sport-, verkehrs- und queerpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
Andreas Baum, 36, war Spitzenkandidat der Piraten bei der Abgeordnetenhauswahl 2011. Heute ist er sport-, verkehrs- und queerpolitischer Sprecher seiner Fraktion.

© promo

Wowereit wird längst nicht mehr im Amt sein, die Nachfolger mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr. Es ist ein Projekt einer Region, mit einem Land, in einer Welt, mit Sportlern, beteiligten und unbeteiligten Menschen.

Und deshalb ist eine Bewerbung Berlins auch eine Bewerbung Deutschlands, die durch Bundesmittel mitzufinanzieren ist. Es ist eine Chance, über die Zukunft bei Verkehrskonzepten, bei der Inklusion, bei Bildung und Wohnen und vielem mehr nachzudenken, gemeinsam Ideen zu entwickeln und dann in die Tat umzusetzen.

Oder auch nicht.

Denn eins ist klar: Es gibt niemanden, der Berlin zwingen kann, Olympische Spiele auszurichten. Wenn die Karten offen auf dem Tisch liegen und die Berlinerinnen und Berliner sich gegen eine Bewerbung entscheiden, dann ist dies zu respektieren. Ich bin froh, dass im Grunde alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus das so sehen.

Die Lehre aus der Vergabe der Olympischen Spiele an nicht demokratisch organisierte Staaten darf nicht dazu führen, dass wir die Bedingungen des IOC einfach abnicken. Im Gegenteil: Wir sind dazu aufgerufen, einen Dialog auf Augenhöhe über die Ausgestaltung des Vertragswerks einzufordern.

Das IOC wird sich auf Berlin einstellen müssen. Ob eine generelle Steuerbefreiung für den Veranstalter oder die sehr restriktiven Vermarktungsrechte noch zeitgemäß sind, muss ernsthaft besprochen werden.

Und der Partizipationsprozess für Berlin muss schnell kommen! Wie so etwas gelingen kann, hat dieser Tage mein Kollege Dr. Simon Weiß in seinem Positionspapier „Mehr Demokratie wagen!“ aufgeschrieben. Darin wird noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, dass die Beteiligung an politischen Entscheidungen rechtzeitig und konstruktiv möglich wird.

Dazu müssen auch die Quoren gesenkt werden, die eine Beteiligung bisher unnötig erschweren. Die Piraten haben daher konkrete Gesetzesänderungsvorschläge eingebracht, die eine Volksinitiative statt wie bisher mit 20 000 Unterschriften schon mit 2 500 wirksam werden lassen. Zudem fordern wir, dass die Unterstützung auch über das Internet möglich wird.

Darüber hinaus ist auch die Weiterentwicklung der Volksgesetzgebung nötig. Das Verfahren muss verschiedene Alternativvorschläge sowie die Abstimmung darüber zulassen. Einfache Umfragen, wie sie bisher vom Senat organisiert wurden, ermöglichen keine ausreichende Partizipation.

Ich begreife allein die Diskussion darüber, ob eine Bewerbung Berlins gut wäre, als Chance. Daher sollten wir darüber an möglichst vielen Stellen ins Gespräch kommen. Ob Olympia nach Berlin kommt oder nicht, hat niemand anderes zu entscheiden, als diejenigen, die es auszurichten hätten: Alle Berliner!

Die weiteren Beiträge zur Olympiadebatte des Tagesspiegel lesen Sie unter www.tagesspiegel.de/olympiadebatte.

Andreas Baum

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