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Die Portale zur Küchenhygiene dürfen in ihrer bisherigen Form nicht weitergeführt werden.

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Gastronomie: Berliner Senat schaltet Smiley-Seite zu Restaurant-Hygiene ab

Noch können Berliner im Internet nachlesen, wie es um die Hygiene in Restaurantküchen bestellt ist. Doch damit ist bald Schluss. Angeblich gibt es keine andere Wahl.

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Schimmel in der Küche, Dreck am Herd, Müll auf dem Boden – noch können Berliner im Internet nachlesen, wie es um die Hygiene in den Restaurants der Stadt bestellt ist. Doch der Restaurant-Smiley, ein Berliner Vorzeigeprojekt, ist ein Auslaufmodell. Zum 1. September wird es die Informationen nicht mehr geben – zumindest nicht mehr in der bisherigen Form. Dann tritt nämlich das neue Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft.

Nach Meinung von Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU) erlaubt das VIG den Behörden nur noch Informationen über die Qualität von „Erzeugnissen“, also Produkten, nicht aber über die Verhältnisse, unter denen diese Produkte zustande gekommen sind. „Wir dürfen nur noch sagen, ob die Pizza schlecht war, nicht aber, wie es in der Küche aussieht“, sagte Heilmanns Sprecherin Claudia Engfeld dem Tagesspiegel. Die Umstellung betrifft nicht nur die zentrale Internet-Seite „Sicher Essen in Berlin“, auf der derzeit 1008 Restaurants und Kneipen aufgeführt sind. Auch die – teilweise noch strengeren – Internet-Portale der Bezirke können nach Meinung der Senatsverwaltung nicht in ihrer bisherigen Form weitergeführt werden.

Noch ist unklar, wie es nach dem 1. September weitergeht. Für die zentrale Internetseite „Sicher essen“ werden nach Tagesspiegel-Informationen derzeit zwei verschiedene Modelle diskutiert: eine abgespeckte Warnliste, auf der nur noch besonders schlechte Lokale auftauchen, oder eine Überarbeitung der bisherigen Liste. Doch auch die 1008 Betriebe, die in dem Portal auftauchen, sind nur ein Bruchteil der 18 600 Gaststätten und Imbisse, die es in Berlin gibt. Denn die Lebensmittelkontrolleure kommen mit der Arbeit nicht nach. 82 Kontrolleure gibt es – für 52 000 Betriebe. Ihre Berichte bilden die Grundlage für die Portale des Landes und der Bezirke

Eigene Gaststättenlisten nach dem „Smiley“-Prinzip – mit lachenden oder weinenden Gesichtern – hatten zuerst Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf ins Internet gestellt. Im Juni waren Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf diesem Beispiel gefolgt. Die Bezirksämter erfuhren erst am Donnerstag von dem Problem.

Der Pankower Stadtrat Torsten Kühne (CDU) sagte, auch das bezirkliche Rechtsamt sehe neue Schwierigkeiten. Als Ordnungsstadtrat ist Kühne für die Lebensmittel- und Veterinäraufsicht zuständig. Er will noch weitere juristische Stellungnahmen einholen. Das Smiley-System habe sich gut etabliert, leider werde den Bezirken nun ein „Knüppel zwischen die Beine geworfen“. Notfalls müsse Pankow zur alten Negativliste zurückkehren, die nur grobe Hygieneverstöße zeigte: „Damit wären wir auf der sicheren Seite.“

SPD kritisiert Verbraucherministerin Aigner

In anderen Rathäusern zeichnet sich Widerstand ab. „Unsere Liste ist gerade erst draußen, und wir waren auf einem guten Weg“, sagt der Tempelhof-Schöneberger Ordnungsstadtrat Stadtrat Oliver Schworck (SPD). Er will „so lange wie möglich weitermachen, bis man es uns untersagt“.

Marc Schulte (SPD), Stadrat für Ordnungsangelegenheiten in Charlottenburg-Wilmersdorf, wirft Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) vor, sie habe den Verbraucherschutz mit der Gesetzesnovellierung „entscheidend geschwächt“ und „das Gegenteil ihrer Ankündigungen“ bewirkt. Kritik übt der SPD-Politiker aber auch an Justiz- und Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann: Dessen Verwaltung lasse „Kreativität vermissen“ und habe „einfach vollzogen, was die Bundesregierung anordnet“.

Heilmann betont jedoch, Berlin wolle mittelfristig wieder zur alten Lösung zurückkehren und zusammen mit anderen Bundesländern eine Gesetzesänderung erreichen. Damit sollen strengere, regionale Hygienekennzeichnungen wieder erlaubt werden. Eine bundesweit einheitliche Regelung, wie sie von den Verbraucherministern eigentlich angestrebt worden war, ist am Widerstand der Wirtschaftsminister gescheitert.

Im Bundesverbraucherministerium schüttelt man den Kopf über das Vorpreschen der Berliner. „Das Vorgehen der Senatsverwaltung ist nicht nachzuvollziehen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. „Egal ob im Herstellungsprozess oder beim Endprodukt – die Bundesländer können weiterhin alle Ergebnisse von Betriebskontrollen veröffentlichen“, betonte der Sprecher. Das neue Verbraucherinformationsgesetz falle nicht hinter das bestehende Gesetz zurück, sondern stärke die Rechte der Bürger und der Ämter. Diese Auffassung habe man den Berliner Behörden auch bereits mehrfach mitgeteilt.

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